Nach dem Blutbad in Mali halten die Proteste an

■ Armee schießt Demonstrationen gegen die Diktatur nieder/ Hunderte von Toten

Berlin/Bamako (taz/afp) — Mindestens 200 Tote und viele hundert Verletzte — das ist die bisherige Bilanz der Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Militär, die seit Freitag den Sahel-Staat Mali erschüttern. Der Staatschef, General Moussa Traore, hat über alle größeren Städte des Landes den Ausnahmezustand verhängt.

Am Freitag schoß die Armee auf Demonstranten in der Hauptstadt Bamako, die zu Hunderttausenden ein Ende der Diktatur und eine Erhöhung von Stipendien forderten. Nach Angaben des „Malischen Menschenrechtsverbandes“ (AMDH) kamen dabei über 80 Menschen ums Leben. Die Krankenhäuser waren bereits nach wenigen Stunden mit Verwundeten überfüllt. Am Abend hielt Präsident Traore eine „Ansprache an die Nation“, in der er die Eltern demonstrierender Schüler für die Ausschreitungen verantwortlich machte und über Bamako und andere Städte den Ausnahmezustand sowie eine nächtliche Ausgangssperre verhängte. Er erklärte, der am 28. März beginnende Kongreß der regierenden Einheitspartei werde die Frage eines Mehrparteiensystems „prüfen“. Als Reaktion auf die Rede des Präsidenten versammelten sich am Samstag und Sonntag erneut Tausende von Demonstranten in der Hauptstadt. Auch dabei kam es zu Zwischenfällen.

Das staatliche Radio Malis gab bislang die Zahl von 27 Toten zu. Doch nach Angaben von Augenzeugen soll die Armee regelrechte Massaker angerichtet haben. Allein in ein großes Krankenhaus in Bamako wurden nach den Berichten am Freitag 48 Tote eingeliefert. Soldaten drangen in die Krankenhäuser ein und machten Jagd auf Oppositionelle. Viele Leichen erschossener Demonstranten wurden in den Niger geworfen, darunter auch Kinder. Außerdem sollen über 100 Menschen von Soldaten bei lebendigem Leibe verbrannt worden sein. Sie hatten sich vor den Straßenkämpfen in das Einkaufszentrum „Sahel-Vert“ geflüchtet. Die Armee, so berichten Zeugen, riegelte das Gelände ab, warf Tränengas durch die Fenster und setzte das Haus dann in Brand.

In den Krankenhäusern Malis sind nach Angaben von Ärzten alle Blutkonserven aufgebraucht. Die Situation sei katastrophal. Chirurgen der französischen Hilfsorganisation „Médecins Sans Frontières“, die zur Soforthilfe nach Bamako flogen, wurden am Samstag von den malischen Behörden am Verlassen ihres Flugzeuges gehindert.

Ein neu gegründetes Koordinationskomitee von sieben Oppositionsgruppen ruft derweil für heute zu einem unbefristeten Generalstreik auf. In ihrem „Kommuniqué Nummer1“, das bei den Demonstrationen vom Sonntag in Bamako verlesen wurde, heißt es, die „Exekutionen durch das Regime“ seien „Massenmord“. Gefordert werden der Rücktritt Traores sowie des Einparteienparlaments und die Bildung einer Übergangsregierung. D.J.

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