: Das Geheimnis der fehlenden Mittelstützen
■ taz-Reihe zur Bremer Architektur / Zweite Lieferung: Der Concordia-Tunnel / Brücken-Dinosaurier für das ästhetische Gefühl
Früher wurde der Bau von Brücken mit Bewunderung verfolgt, ihre Vollendung wurde mit Stolz gefeiert. Nur in Bremen „ischa allns gaans anners“. Hier wurde beim Concordia-Tunnel nach einem massiven Protest von Tausenden von BürgerInnen und trotz eines gerichtlichen Vergleichs, bei dem eine Tunnelaufweitung gekippt wurde, an einer Brücke weitergehämmert und weitergeschweißt, die wirklich kein Kunstwerk geworden ist. So, als ob seit Mitte der 70er nichts geschehen wäre und so, als ob die Stadt inzwischen nicht schon längst am Autoverkehr ersticken würde, wurde ein riesiges, unförmiges Teil über die Schwachhauser Heerstraße geschoben.
Das Ding steht vielleicht die nächsten 100 Jahre. Bei etwa 60 m Spannweite mit insgesamt 13 m Höhe, ist der Brücken-Dinosaurier fast so hoch wie ein fünfstöckiges Haus mißraten; über 8 m mißt davon allein die nullachtfünfzehn-Konstruktion des stählernen Fachwerkträgers.
Schon von weitem drängt sie sich bedrohlich vor die Silhouette Schwachhausens. Mit Wehmut denkt man an die alte, schwungvolle Bogenbrücke zurück, die abgerissen wurde. Die war zwar
Der direkte Vergleich im Aufriss. Wuchtig der Neubau aus neun Dreiecks-Segmenten, vergleichsweise zart und schwungvoll dagegen der alte BogenArchiv
auch kein Weltwunder, verkörperte aber immerhin ein Stück vom industriellen Aufschwung des jungen Jahrhunderts, die Hoffnungen von damals und die Erinnerungen an gestern.
Das neue Teil ist ein Relikt des Gestaltungswahns und nicht der Bundesbahn anzulasten. Die plant und baut nämlich in der Regel noch immer lieber Bogenbrücken, schon weil die materialsparender und billiger sind.
Der gewohnte Anblick auf eine Bogenbrücke sollte den BremerInnen aber aus einer verquasten Ästhetik der hier Verantwortlichen von Anfang an nicht zugemutet werden; unbedingt — und noch bis heute - sollte es die stützenlose Tunnelaufweitung von ehemals 23 m auf satte 32,40 m sein. Die Tragfähigkeit und der
hier den Bauplan der Brücke
Aufwand für eine Konstruktion werden aber ganz entscheidend von der Spannweite bestimmt.
Beim genauen Hinsehen erkennt man, daß die „fehlenden“ 9,40 m schon gebaut und nur hinter Schamwänden aus Beton ver
steckt worden sind. Die neue Brücke wurde so und in dieser Größe und Gestalt für runde 15 Millionen Deutsche Mark eigens bestellt: Konfektions-Übergröße und schön hoch und gerade. Eine „Raumkante“ im Stil des Old- Brutalism der 70er Jahre, als eine Dominante in Fortsetzung und im Geist der bedrohlichen Architektur des Breitenweges.
In Wirklichkeit ist das Teil eine tickende Zeitbombe. Jederzeit und spätestens bei der Erneuerung der anderen Brückenteile — nicht gleich nach der Wahl aber vielleicht in etwa 20 Jahren? — kann man mit dieser Brücke der Bürgerinitiative eine lange Nase machen und den Concordia Tunnel — ruckzuck — auf 6 Spuren erweitern. Ätsch. Daß dann drei dieser Ungeheuer hintereinander
stehen und den Horizont völlig verdunkeln würden, steht auf einem anderen Zeichnungsblatt.
Und warum überhaupt dieser Aufwand und diese Orgie in Stahl? Wenn Sie morgens zum Büro in die Innenstadt fahren und abends mit den anderen 32.000 Autofahrern die Stelle passieren, müssen sie sich eigentlich schon immer gefragt haben, warum auf der Hinfahrt die neue Brücke so groß ist und auf der Rückfahrt die anderen Brücken des Concordia- Tunnels so klein und unauffällig sind. Werden über die Gleise der neuen Brücke die schweren Panzer aus Garlstedt zum Verschrotten abgeholt?
Nein! Alle Brücken tragen die gleichen Achslasten — nur werden die alten Brücken in der Mitte unterstützt. Die bestehenden Mittelstützen stören nicht — erst recht nicht nach all der Schraffiererei auf der Kurfürsten-Allee und bei den Fahrbahnverengungen im Concordia-Tunnel.
Stützen würden selbst bei einer Tunnelaufweitung auf 32,40 m nicht im Wege stehen, da selbst Autobahnen — wie die von Bremen nach Hamburg, die von Leitplanke zu Leitplanke nur 29,40 m mißt — immer so etwas wie einen Mittelstreifen haben. Kurz: Die Bremer ExpertInnen müssen da etwas übersehen haben.
Wo steckt das Geheimnis der fehlenden Mittelstützen? Ist vielleicht doch die Schrott-Mafia beteiligt? Gibt es neben der Beton- Fraktion in der Partei vielleicht noch eine Stahl-Fraktion?
Schauen Sie einfach mal vorbei, wenn sie vom Eiersuchen aus dem Dickicht des Remberti-Ringes zurückkommen: Stadteinwärts ein riesiges, häßliches Gerät — stadtauswärts ein harmloser Träger — nicht der Rede und bestimmt nicht diesen Artikel wert. burdi
P.S.: Unser Dorf kann schöner werden.
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