piwik no script img

Wieder Ansturm aufs österliche Berlin

■ Trotz Oster-Tourismus haben viele Hotels — vor allem in Ost-Berlin — noch Betten frei/ Die meisten Touristen kommen nur für einen Tag in die Hauptstadt/ Jugendherbergen werden überrannt, während die Edelhotels um Gäste buhlen müssen

Berlin. Zu Ostern wird's eng. Bis zu einer viertel Million Touristen erwartet das Verkehrsamt über die Feiertage in Berlin. Die 38.000 Berliner Hotelbetten werden zu rund 80 Prozent ausgelastet sein, dazu kommen 90.000 Touristen, die bei Bekannten übernachten, sowie nochmals 130.000 Tagestouristen aus dem Berliner Umland, so Verkehrsamts- Sprecher Michael Brodersen. Allein in seinem Amt fragen täglich bis zu 1.000 Berlin-Hungrige wegen Hotelzimmern nach. Kein anormaler Zustand, man kenne dies aus den letzten Jahren.

Auch Kurzentschlossene haben noch gute Chancen, ein freies Zimmer zu finden — besonders in den Ostberliner Hotels. Nur in der Mittelklasse kann es problematisch werden. Nicht so im First-Class-Bereich: Das Palast-Hotel am Alex, nach altem DDR-Maßstab mit vier Sternen ausgezeichnet, hat von seinen 600 Zimmern noch 365 frei. Bei Preisen von 250 bis 320 Mark pro Nacht liegt die Kundschaft des Hauses eher bei Geschäftsreisenden als bei Oster-Touristen. Auch das Osterangebot des Palast-Hotels — drei Übernachtungen für 295 Mark — lockt nicht viele Touristen.

Auch Hotels in der preiswertesten Klasse zwischen 60 und 90 Mark bekommen die Betten nicht voll: Hans Loß (61), seit 1980 Inhaber des familiären Ostberliner Hotels Neues Tor in der Invalidenstraße hat bisher nur sieben seiner 15 Betten vergeben. Letztes Jahr war bei ihm alles voll, dieses Jahr, meint er, hätten die ehemaligen DDRler »kein Geld oder wollen lieber andere Gegenden sehen«. Obwohl er die Übernachtungs- Preise seit Ostern 1990 verdoppelt hat, sieht er seine Existenz gefährdet: Die Kosten hätten sich verdreifacht und zudem sei die Eigentumsfrage des Gebäudes noch offen.

Ausgebucht sind dagegen die Jugendherbergen: »Letztes Jahr war es aber noch schlimmer«, so ein Angestellter. Bei Preisen zwischen 17,90 und 25 Mark sind sie der Renner bei den Jugendlichen aus beiden Teilen der Bundesrepublik. Aus Japan und den USA gab es dagegen viele Stornierungen infolge des Golfkrieges. Aus ähnlichen Gründen registriert auch die Kreuzberger Mitwohnzentrale in der Wiener Straße »wesentlich mehr Nachfrage als Angebot«.

Was in den anderen europäischen Metropolen zu allen Jahreszeiten üblich ist, gibt es in Berlin nicht mal zur Touristensaison: Nirgendwo am Bahnhof Zoo sieht man Menschen herumlaufen, die den ankommenden Touristen mit viel Überzeugungskraft und gegen Provision ein Hotel andrehen wollen. »Ist ja auch gar nicht nötig«, meint eine Streife der Bahnpolizei — eine computergesteuerte Anzeigetafel zeigt den zimmersuchenden Touristen, welche Hotels noch Zimmer frei haben. Bisher leuchten rund die Hälfte der Lampen noch grün auf: Zimmer frei. Rochus Görgen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen