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Altautos schleudern Dioxin aus dem Auspuff

Chlor- und Bromzusätze im Sprit sind verzichtbar  ■ Von Hermann-Josef Tenhagen

Berlin (taz) — Jede(r) kennt ihn, den alten schönen Daimler aus den sechziger Jahren. Was kaum jemand weiß — diese zugegebenermaßen wunderschönen Autos sind Hauptverantwortliche für die erheblichen Dioxinemissionen, die immer noch jedes Jahr aus bundesdeutschen Auspuffrohren quellen. Solange solche schönen Autos nämlich noch mit verbleitem Benzin auf Deutschlands Straßen kreuzen, und solange die Mineralölkonzerne keinen Ersatz für die hochgiftigen Zusätze (Scavenger) im Bleisprit anbieten, solange breiten sich die bei der Verbrennung entstehenden ultragiftigen Dioxin- und Furanwolken der alten Blechkisten weiter aus.

Michael Friedrich, Pressesprecher bei der Deutschen Aral, zuckt noch mit den Achseln. Die Industrie forsche zwar, aber es daure noch. Erst zum Sommer sollen drei Firmen, ETYL aus den USA, OCTEL aus Großbritannien und ALKOR, eine von Schweizern aufgekaufte ehemalige DDR-Firma, der Industrie den Verzicht auf die gefährlichen Zusätze ermöglichen. Die Mineralölkonzerne kaufen die Bleizusätze im Benzin als Paket, in dem auch die giftigen Chlor- und Bromverbindungen enthalten sind. Zum Jahresende soll das ungiftigere verbleite Benzin dann eingeführt sein. Schneller gehe es nicht, so Friedrich. „Wir können ja schließlich nicht sagen, ihr laßt jetzt den schönen alten Mercedes-Benz in der Garage stehen.“ Zwar könnten inzwischen 90 Prozent der Fahrer, die noch verbleit tanken, für ihr liebstes Spielzeug eigentlich auf das Bleibenzin verzichten, aber es gebe eben immer noch einige Unverbesserliche und die technischen Probleme mit den ganz alten Kisten, verteilt Friedrich die Verantwortung für die schleichende Vergiftung.

Alles Quatsch, weiß man im Umweltbundesamt (UBA). Man müsse das Zeug, die Brom- und Chlorzusätze, überhaupt nicht im Benzin haben. Bei dem geringen Bleigehalt im verbleiten Benzin seien die Additive völlig verzichtbar. Die Mineralölkonzerne hätten in den vergangenen Monaten gemauert und keine besonderen Anstrengungen unternommen. Das UBA fordert seit längerem ein Verbot der Scavenger, da sich die Herstellerfirmen geweigert hätten, Scavenger-freie Ersatzstoffe anzubieten. Und das, obwohl die Autos „eine bedeutende Dioxinquelle“ für die hohe, bei Säuglingen sogar dramatisch hohe, bundesdeutsche Dioxinbelastung darstellen.

Auch beim Umweltministerium in Bonn ist man mit der Industrie nicht zufrieden. Bundesumweltminister Klaus Töpfer hatte schon im Sommer letzten Jahres eine Verbotsverordnung für die Scavenger zum Jahresende angekündigt. Die EG- Kommission in Brüssel habe ein Verbot bislang verhindert, hieß es im Töpfer-Ministerium. Man halte aber weiterhin an der Verbotsverordnung fest. Zusätzlich hatte Minister Töpfer Anfang März einen neuen Vorstoß unternommen und von der Mineralölindustrie binnen zwei Wochen eine freiwillige Verzichtserklärung verlangt: Doch auch darauf habe die Industrie bislang nicht reagiert.

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