: Aussteiger in der DDR waren nur Teil einer „Paketlösung“
■ Die in der DDR festgenommenen Raf-Abtrünnigen ahnten nicht, daß ihre früheren Freunde sich in der DDR auf Anschläge vorbereiteten
Monatelang warteten die acht RAF-Abtrünnigen erst in Paris, dann am äußersten westlichen Zipfel Frankreichs: Sie warteten auf das Signal zur Abreise in eine ungewisse Zukunft. Ein afrikanisches Land, Mosambik oder Angola, war ihnen von den aktiven RAF-Kadern als wahrscheinlichstes Asylland avisiert worden. Doch die machten ganz woanders Quartier: In Ostberlin. Im Spätsommer 1980 war es dann soweit. Über verschlungene Pfade wurden die Aussteiger meist paarweise nach Wien und dann nach Prag geschleust. Erst dort wurden sie über das Bestimmungsland unterrichtet.
Was die im vergangenen Jahr, nach zehn Jahren im realen Sozialismus festgenommenen ehemaligen RAF-Mitglieder nicht wußten: Sie waren nur Teil einer „Paketlösung“. Übereinstimmend berichteten sie später, ihre Betreuer hätten über die Jahre stets betont, sie lehnten die Methoden der RAF ab, wollten Aussteiger jedoch aus humanitären Gründen aufnehmen. Daß ihre alten Freunde von der RAF gelegentlich ganz in der Nähe mit der Panzerfaust herumballerten, ahnten sie nicht. Sie wußten auch nicht, daß nach ihnen noch zwei andere Aussteiger, Kontaktfrau Inge Viett und Henning Beer, kamen.
Erste Zweifel allerdings, ob sich die Bemühungen der Stasi allein auf die Aussteiger beschränkten, hätten der Gruppe im November 1982 kommen können. Nach der Festnahme Christian Klars an einem RAF-Depot bei Hamburg und zahlreichen anderen Depotfunden der westdeutschen Fahnder kam bei den „Betreuern“ offensichtlich Panik auf. Bei einer „Rundreise“ zu allen Aussteigern wollten sie detaillierte Angaben über frühere Gruppenmitglieder und zeigten sich dabei über die Aktivitäten der aktiven Gruppe ausgesprochen gut unterrichtet. Angeblich wollten sie wissen, ob in den Depots Hinweise auf die Aussteigergruppe in der DDR zu finden sein könnten. Tatsächlich fürchteten sie wohl vor allem, daß die weitergehende Kooperation mit den aktiven Kadern auffliegen würde. Offenbar wertete die Stasi die Klar-Festnahme und die Depotfunde als Indiz für eine Unterwanderung der RAF durch CIA oder BND. Man begab sich auf Verrätersuche, legte den Aussteigern sogar Fotos diverser RAF-Mitglieder vor. Der nächste Einschnitt erfolgte in der Erinnerung der aussagebereiten DDR-Heimkehrer 1985 nach dem RAF- Mord an dem US-GI Pimental. Die Stasi-Betreuer verurteilten den Anschlag heftig und erklärten, in Zukunft werde es keinerlei Hilfe oder Kooperation mehr geben. Die Aussteiger bezogen diese Erklärungen in ihren Aussagen stets nur auf die Möglichkeit der Aufnahme weiterer ausgestiegener RAF-Mitglieder. Es ging wohl um mehr: Nach den Ermittlungen der Bundesanwaltschaft wurden Mitte der achtziger Jahre auch die Kontakte zur aktiven RAF eingestellt. „Seitens des MfS“, erinnert sich eine Aussteigerin, „wurde immer betont, daß unsere Existenz in der DDR auf keinen Fall herauskommen dürfe. Nach '85 schien dieser Gesichtspunkt an Dramatik verloren zu haben.“
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