: Für Nichtraucher Zucker extra
Kurz vor dem 50jährigen Jubiläum des „Karpaten-Regiments“ ist kaum etwas davon zu merken, daß der fast 1.000 Mann starke Truppenteil Ende kommenden Jahres aus Dresden abziehen wird ■ Von Matthias Meisner
Dresden. Hinter grauen Kasernentoren mit rotem Stern: Auf dem Exerzierplatz marschieren Soldaten in braunen Filzmänteln im Gleichschritt: „Augen links, Augen rechts.“ „Prachtkerle“, lobt Vitali Adamski die Soldaten des Nachrichten-Garderegiments „Karpaten“, das seine Kaserne auf der Kurt-Fischer-Allee in Dresden hat. Adamski ist als Verbindungsoffizier zuständig für die Kontakte der Sowjetarmee zu den deutschen Behörden.
Im August 1941, zu Beginn des Großen Vaterländischen Krieges, hatte sich das Karpaten-Regiment formiert, 1945 an der Eroberung Dresdens teilgenommen. Kurz vor dem 50jährigen Jubiläum — inzwischen haben 195 Soldaten den Ehrentitel „Held der Sowjetunion“ erhalten — ist noch kaum etwas davon zu merken, daß der fast 1.000 Mann starke Truppenteil bereits Ende kommenden Jahres aus Dresden abziehen wird. Im Freien und auf dem Gelände wird vom frühen Morgen bis abends trainiert. Der Unterricht für Funker läuft unter gefechtsnahen Bedingungen: Maschinengewehr- Salven vom Tonband, Tarnnetz an der Decke, flackerndes Licht.
Die Kaserne ist eine kleine, eigene Welt. Es gibt einen eigenen „medizinischen Punkt“ mit Ärzten und Schwestern, ein Handelszentrum, wo Kiwis nur 30 Pfennig kosten und der Wodka (5,20 Mark für den halben Liter) nur von Offizieren, Unteroffizieren und Fähnrichen gekauft werden darf. Von ihrem Monatssold von 25 Mark müssen sich die Soldaten Seife, Zahnpasta und Briefpapier selbst kaufen. „20 Päckchen Zigaretten pro Monat gibt's umsonst. Nichtraucher bekommen eine Extraportion Zucker“, berichtet Regiments- Chef Nikolai Tschumakow. Für die Führungskräfte der Sowjetarmee ist das Leben etwas einfacher. Ein Offizier verdient im Durchschnitt 1.200 Mark. Ausbilder Alexej Tylajev, der die DDR noch zu sozialistischen Zeiten erlebt hat, sagt: „Unser materieller Standard ist höher geworden. Dafür ist die Verantwortung um das Dreifache gestiegen.“ An einem guten Kontakt zu den deutschen Behörden ist der Sowjetarmee gelegen. Man bedauert, daß die Soldaten nicht wie vor der Wende im Dynamo-Fußballballstadion spielen können und die Offiziere keinen Einlaß mehr ins Hallenbad auf dem benachbarten Gelände bekommen, das früher der Nationalen Volksarmee und jetzt der Bundeswehr gehört.
„Objektiv eine Lüge“ nennt Adamski Berichte, wonach Sowjetsoldaten aus Dresden an einem blühenden Waffenhandel beteiligt seien. Dafür gibt er zurück, daß die deutsche Polizei nur zuschaue, wenn wie vor ein paar Tagen rechtsextremistische Skinheads vor der Kaserne „Russen-Schweine raus“ grölen. „Das hat uns schon verblüfft.“ dpa
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