: Rabta-Millionen sicher gebunkert
Der Fabrikant Jürgen Hippenstiel- Imhausen hat vorgesorgt: Die Millionen, die er mit dem illegalen Giftgas-Deal im libyschen Rabta machte, sind vor dem Zugriff deutscher Behörden sicher. Rechtzeitig wurden sie von Schweizer Konten nach Hongkong und Liechtenstein, dem Paradies für krumme Geschäfte, verschoben. Dort wird bei Finanzdelikten jeglicher Art keinerlei internationale Rechtshilfe gewährt. ■ VONTHOMASSCHEUER
Noch in diesem Jahr muß der Lahrer Fabrikant Jürgen Hippenstiel-Imhausen, der zur Zeit wegen seiner Beteiligung an der legendären Chemiefabrik im libyschen Rabta eine fünfjährige Haftstrafe absitzt, mit zwei weiteren Anklagen rechnen: Wegen der Lieferung von Plänen für eine zweite Giftgasfabrik sowie Subventionsbetrug. Je nach Besetzung des Gerichts in der nächsten Prozeßrunde, könnte der Rabta-Regisseur die Gelegenheit nutzen, sich beim Kadi für das letzte Urteil zu bedanken. Dafür hatte das Mannheimer Landgericht nämlich nicht nur wegen der vergleichsweise milden Freiheitsstrafe heftige Urteilsschelte von Politikern, Medien und Juristenkollegen kassiert. Empörung löste vor allem der Umstand aus, daß Justitia Hippenstiels finanzielle Beute aus dem illegalen Giftgas- Deal unangetastet ließ: Wenn „Hippi“, wie ihn enge Freunde nennen, dereinst durch das Tor der Karlsruher Justizvollzugsanstalt wieder in die Freiheit schreitet, wird er das als mehrfacher Millionär tun.
Diesen Gedanken findet urplötzlich auch Baden-Württembergs neuer Justizminister Helmut Ohnewald „unerträglich“. Er selbst, so vertraute er kürzlich der Presse an, wolle seinen Sachverstand als ehemaliger Finanzamtschef bei dem Versuch einbringen, auch auf „unkonventionellen Wegen (...) dem Herrn Imhausen einen Teil des Geldes streitig zu machen“. Sehr weit her kann es mit dem Sachverstand des Ministers allerdings kaum sein. Denn ein rechtskräftiges Urteil vermag auch der Justizminister nicht zu korrigieren. Und in der Schweiz, wo Minister Ohnewald Imhausens giftige Millionen loseisen will, ist das Geld gar nicht mehr. Es wurde längst nach Liechtenstein und Hongkong verschoben. Da in fiskalischen Angelegenheiten dort keinerlei internationale Rechtshilfe gewährt wird, ist die Rabta- Beute nun vor jedem Zugriff deutscher Behörden absolut sicher.Nach Paragraph 73 des Strafgesetzbuches kann das Gericht neben der Strafverhängung den „Verfall“ eines Unrechtsgewinnes anordnen; weniger juristisch formuliert: Der Staat kann die Beute aus kriminellen Geschäften einkassieren. Ein Instrument, dem in der aktuellen Debatte um die Bekämpfung der organisierten Kriminalität wachsende Bedeutung zukommt.
Das Gericht wollte es nicht so genau wissen
Denn hochkarätige Wirtschaftsganoven, da sind sich mittlerweile die Kriminal-Experten einig, sind kaum mit erhöhter Strafandrohung, sondern nur am Geldbeutel zu packen. Wegen der enormen Gewinne werden die illegalen Geschäfte schließlich riskiert.
Voraussetzung für die „Gewinnabschöpfung“ ist allerdings deren exakte Feststellung. Genau damit aber haperte es im Mannheimer Imhausen-Rabta-Prozeß: In der Anklageschrift noch auf rund 16 Millionen veranschlagt, von Hippenstiel selbst in einem Teilgeständnis mit 20 Millionen beziffert, kletterten die Schätzungen noch während des Prozesses auf 60 bis 70, später sogar auf 120 bis 130 Millionen. Genaue Zahlen konnten weder Staatsanwaltschaft noch Steuerbehörde im Verfahren vorlegen. Der Originalvertrag zwischen Hippenstiel, dem irakischen Vermittler Ishan Barbouti und den Libyern, in dem das Auftragsvolumen mit 255 Millionen beziffert ist, war der Anklagebehörde erst kurz vor Prozeßbeginn von Barbouti selbst zugespielt worden. Da war die Anklageschrift schon verfaßt. Nicht übersehen werden darf auch das knifflige Problem, die legalen und illegalen Teile der Imhausen-Lieferungen auseinanderzudröseln. Doch das Gericht wollte es offenbar so genau gar nicht wissen. Aus Gründen der Prozeßökonomie, so die offizielle Begründung, verzichtete die Strafkammer darauf, den finanziellen Umfang des Rabta-Geschäftes exakt ermitteln zu lassen. Und zwar mit ausdrücklicher Zustimmung der Staatsanwaltschaft, in deren Reihen es über diese Frage zum offenen Streit gekommen war. Ob diese „Riesensauerei“ Teil eines Deals zwischen Verteidigung, Anklage und Gericht (Teilgeständnis gegen Strafrabatt) war, wie der Lahrer SPD-Landtagsabgeordnete Walter Caroli argwöhnt, will dessen Fraktion jetzt durch den parlamentarischen Untersuchungsausschuß zur Frage der Unabhängigkeit von Politik und Justiz in Baden-Württemberg („Segeltörn- Ausschuß“) klären lassen.
Schweizer Bundespolizei ist sauer
Als das Gericht das finanzielle Kapitel der Rabta-Affäre zu den Akten legte, wußte es bereits, daß die „Auslieferung“ von rund 15.000 Blatt Dokumenten kurz bevorstand. Die hatte die schweizerische Bundespolizei bei der Zürcher Imhausen-Tochter Imhico sowie bei deren schweizer Hausbank beschlagnahmt. Einen großen Teil ihrer giftigen Geschäfte hatten die Rabta-Schieber nämlich über die Imhico abgewickelt. Ishan Barbouti, jener irakische Ex-Minister und Geschäftsmann, der das Projekt vermittelt hatte, verfügte über gleich drei Briefkastenfirmen in der Schweiz. Die Imhausen-Anwälte hatten die schweizerische Rechtshilfe zwar bis zuletzt mit allen Kräften zu blockieren versucht; die Freigabe der Dokumente durch das höchste Gericht der Alpenrepublik war jedoch absehbar. Just wenige Tage nach dem Urteil konnten Ermittler des BKA in Bern die Akten einsehen — zu spät für den Rabta-Prozeß. Darüber waren nicht zuletzt jene schweizer Bundespolizisten sauer, die die aufwendigen Ermittlungen im Rahmen der internationalen Rechtshilfe für die Mannheimer Staatsanwaltschaft geführt und sich eine „Signalwirkung“ für die weltweite Schieberszene erhofft hatten. „Es wäre sehr interessant“, deutet ein Berner Beamter an, „wenn dieses Material in anderen Prozessen verwendet würde“. Schließlich wird derzeit gegen sechzehn Mitbeschuldigte ermittelt.
Aufgrund der schweizer Dokumente lassen sich Finanzströme von insgesamt etwa 230 Millionen Mark dem Rabta-Deal zuordnen. Darunter mehrere Millionen Mark, die offensichtlich von Hippenstiel-Imhausen als Schweigeprämien an beteiligte Firmenangehörige bezahlt wurden, sowie — für die Ermittler besonders interessant — Überweisungen an den Salzgitter-Manager Andreas Böhm. Der derzeit beurlaubte Geschäftsführer der Salzgitter-Tochter SIG leugnet bislang jede Mitwisserschaft an dem Giftgas-Projekt kategorisch ab, im Mannheimer Prozeß jedoch wurde er von seinem Duz-Freund „Hippi“ schwer belastet.
Die Millionen selbst konnten die BKA-Fahnder im vergangenen Sommer in der Schweiz allerdings nicht mehr finden. Einige Imhausen-Konten waren sogar im Minus. Sie waren schon Anfang 1989, also kurz nach dem Auffliegen der Rabta-Affäre, eilig geräumt worden. Aus dem Gewinntopf, so rekonstruierten die Ermittler, waren 16 Millionen an den im letzten Sommer in London verstorbenen Ishan Barbouti abgeflossen. 25 weitere auf Konten in Hongkong, wo seinerzeit zur Tarnung des Libyen-Projektes eine Firma gegründet und mit dem Bau einer Arzneimittelfabrik begonnen worden war. Der größte Teil der Beute war jedoch von Zürich ins nahe Fürstentum Liechtenstein geschaufelt worden: satte 50 Millionen Mark. Um die Spuren zu verwischen, waren sogar Barbeträge in Millionenhöhe in Koffern dorthin geschleppt worden.
Ganoven-freundliches Firmenrecht
In Liechtenstein kommt den Imhausen-Schiebern ein in Europa einzigartiges, äußerst ganoven-freundliches Firmenrecht entgegen. Die Gesetze des Fürstentums garantieren den Inhabern von Firmen und Konten absolute Anonymität — ein paradiesisches Klima für Schwarzgeld und krumme Geschäfte. Nach außen hin werden die sogenannten Domizilgesellschaften von einheimischen Anwälten treuhänderisch vertreten. 26.000 Landeskindern stehen allein im Hauptort Vaduz 30.000 registrierte Firmen gegenüber. Deren Verwaltung ernährt eine ganze Zunft von Advokaten und Treuhändern, im Volksmund oft als „Briefkastenleerer“ bezeichnet.
Sie kassieren im Schnitt rund 3.000 Schweizer Franken pro Jahr und Firma; dafür tun sie meist kaum mehr, als ihren Namen und ihre Postadresse zur Verfügung zu stellen. Da diese Anwälte meist mehrere Dutzend Firmen vertreten, ergibt das schon ein nettes Grundgehalt fürs Nichtstun. Aber auch „Verwaltungsräte“ mit mehreren hundert Mandaten sind in der Vaduzer Advokatenszene keine Seltenheit.
Zu den Spitzenreitern gehört der Anwalt Peter Ritter, Chef der Vaduzer Treuhandfirma „Präsidial-Anstalt“. Ob illegaler Atomtechnik- Transfer nach Pakistan, VW-Devisenaffäre oder Tarnfirmen des Ex- DDR-Devisenpaten Alexander Schalck-Golodkowski — Ritters Name taucht regelmäßig bei fragwürdigen Geschäften auf. Ein Anwalt für alle Fälle also. Zu seinen Kunden gehörte während vieler Jahre auch die Lahrer Imhausen- Gruppe, für die er mehrere Briefkastenfirmen verwaltete, darunter die Santomat Trust und die Imhico Vaduz.
Daß der bis dahin „hinterlegte“ Firmenmantel der Santomat Trust just im Oktober 1984 aktiviert wurde, dürfte kaum ein Zufall gewesen sein: Wenige Tage zuvor hatten Barbouti, Hippenstiel-Imhausen und zwei libysche Staatsfunktionäre in Wien den Vertrag über die Lieferung des Rabta-Chemiewerkes „Pharma150“ unterzeichnet.
Just in den ersten Monaten des Jahres 1989, kurz nachdem die Rabta-Affäre hochgegangen war, trat Präsidialboß Peter Ritter die Imhausen-Mandate an seinen Mitarbeiter Louis Öhri ab. Auch er kein unbeschriebenes Blatt. Seinen Namen brachte das Fachblatt „Capital“ kürzlich mit einem großangelegten Anlageschwindel in Verbindung. Im Sommer 1989 gründete Louis Öhri mit seinem Kompagnon Erich Hopp eine eigene Treuhandfirma, die LOPAG. Das Kürzel steht für Louis Öhri & Partner AG. Als dritter Verwaltungsrat der LOPAG fungiert der Zürcher Rechtsanwalt Dieter W. Neupert. Letzterer ist, welch ein Zufall, „Hippis“ bevollmächtigter Rechtsvertreter in der Schweiz. Der Verdacht drängt sich auf, daß die LOPAG hauptsächlich zwecks Verwaltung der Imhausen-Beute aus dem Giftgas-Deal installiert wurde. Seit dem 9.Juli 1990 fungiert die in Ruggell, einem kleinen Kaff nahe Vaduz, ansässige Öhri-Firma jedenfalls als Domizil-Geberin der Imhausen-Ableger samt deren millionenschweren Konten. Auf die Frage, ob er keine Skrupel habe, den Nachlaß aus dem berüchtigten Giftgasgeschäft zu verwalten, antwortet Öhri der taz, er persönlich habe ja keine Giftgasfabrik gebaut. Weitere Auskünfte sind nicht erhältlich. Als Brieftaube in dem Dreieck JVA Karlsruhe — Zürich — Vaduz fungiert übrigens jener Imhausen-Anwalt, der im Mannheimer Prozeß mit seinem einzigen Plädoyer-Satz „ich schließe mich den Worten meiner Vorredner an“ nicht gerade eine Glanzvorstellung als Strafverteidiger bot.
Bei Finanz-Delikten gewährt Liechtenstein keinerlei Rechtshilfe. Ein Ersuchen aus Mannheim wurde bis heute nicht einmal beantwortet. Auch ein Rechtshilfebegehren an die Noch-Kron-Kolonie Hongkong blieb ergebnislos.
Den Beamten fiel nichts auf
Mittlerweile ermitteln die Staatsanwälte wegen weiterer Straftaten gegen Hippenstiel-Imhausen. So werfen die Ermittler dem Ex-Fabrikanten etwa vor, den Libyern auch Pläne für eine zweite, noch größere Giftgasanlage unter dem Codewort „Pharma200“ geliefert zu haben. Mit deren Planung wurde im Hause Imhausen bereits 1987 begonnen. Diese zweite Anlage sollte nach Geheimdiensterkenntnissen nahe der Wüsten-Garnison Sebha errichtet werden. Dort hatten deutsche Techniker Anfang der 80er Jahre bereits an Mittelstreckenraketen gewerkelt. Die Ermittlungen in Sachen „Pharma200“ entbehren nicht einer gewissen Komik: Teile der im August 1990 am Imhausen-Firmensitz in Lahr sichergestellten Pläne waren 1989 im Zuge der Rabta-Ermittlungen schon einmal beschlagnahmt, später aber wieder zurückgegeben worden. Den Beamten war bei der Auswertung nichts aufgefallen. Mit der Anklageerhebung gegen Jürgen Hippenstiel-Imhausen wegen der Sebha-Pläne ist noch [erst? — k.in] in diesem Jahr zu rechnen. Der Gewinn aus dem Rabta-Deal wird dann allerdings keine Rolle mehr spielen. So muß Technologie-Söldner Hippenstiel-Imhausen zwar mit einer nachträglichen Verlängerung seines Gefängnisaufenhaltes rechnen, doch seine giftigen Millionen sind ihm und seinem Clan sicher.
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