: Wieder „Rolle“ über Ramstein
Bonn plant neue Militärflugtage/ Trotz des Ramstein-Desasters sollen künftig wieder „Tage der offenen Tür“ mit militärischen Übungsflügen steigen/ Bundeswehr schätzt Werbeeffekt der Shows ■ Von Joachim Weidemann
Bonn (taz) — Das Bonner Verteidigungsministerium plant, erneut militärische Flugtage zuzulassen. Nicht einmal drei Jahre nach dem Flugtag- Desaster von Ramstein (70 Tote, mehr als 400 Verletzte), in dessen Folge Militärflugtage tabu schienen, will Stoltenbergs Ministerium nun sogenannte „Tage der offenen Tür“ auf Luftwaffenbasen gestatten. Dabei sollen auch militärische Manöverflüge demonstriert werden. Die Pläne wurden aus Kreisen der Bundesluftwaffe bekannt und vom Sprecher des Bonner Verteidigungsministeriums, Major Wingarten, bestätigt.
Für die Luftstreitkräfte haben Flugtage zweierlei Funktion: Sie bieten die Möglichkeit zur Selbstdarstellung der Luftwaffe gegenüber einer Öffentlichkeit, die in den letzten Jahren gerade auf Militärflüge zunehmend empfindlich reagierte. Überdies tragen die Flugtage dazu bei, so meinen Experten, junge Leute für das Faszinosum der Militärfliegerei zu begeistern und so der Luftwaffe zu helfen, „Pilotennachwuchs zu rekrutieren“.
Den bisherigen Bonner Plänen zufolge steht fest, daß auch bei „Tagen der offenen Tür“ wieder Militärmaschinen über die Köpfe des Publikums donnern werden. Zwar sollen, so Sprecher Wingarten, „keine Show-Staffeln“ aus dem Ausland importiert werden — wie etwa die kanadischen „Snowbirds“, die britischen „Red Arrows“ oder die „Frecce Tricolori“, das italienische Unglücksteam von Ramstein. Wohl aber soll es „Übungsflüge der stationierten Verbände geben“.
„Übungsflüge“ — das bedeutet nach Angaben des Sprechers: Es können „alle taktischen Manöver“ gezeigt werden, die die Militärpiloten für den Luftkampf eintrainieren. Als Beispiel nannte Wingarten „die Rolle“.
Zwischen derartigen militärischen Luftmanövern und zivilen Kunstflugfiguren besteht jedoch kaum ein Unterschied. „Infolge der Fortentwicklung des militärischen Flugbetriebs“, so urteilten bundesdeutsche Luftwaffenexperten im Bonner Ramstein-Untersuchungsausschuß, „haben fast alle Flugfiguren des klassischen Kunstflugs Eingang in die militärische Ausbildung gefunden.“
Der Bonner Vorstoß, das Flugtag- Tabu zu brechen, geht auf den Vorschlag der „Steinhoff“-Kommission zurück. Die Kommission — benannt nach ihrem Leiter, dem früheren Luftwaffeninspekteur Johannes Steinhoff — wurde am 16. September 1988 nach der Ramstein-Katastrophe einberufen. Sie lehnte in ihrem Abschlußbericht zwar ein „spektakuläres Flugshowprogramm“ ab, unterbreitete den Verantwortlichen auf der Bonner Hardthöhe jedoch drei Vorschläge für die künftige Öffentlichkeitsarbeit. Dazu gehören:
— „ein Tag der offenen Tür mit statischer Ausstellung der Geräte und Waffensysteme (static display)“,
— „die Demonstration des Verbandes im taktischen Überflug“, und
— „die taktische Demonstration einzelner Waffensysteme“.
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