piwik no script img

Innensenator droht Borttscheller

■ CDU soll Fälschungsbehauptung zurücknehmen oder vor Gericht bereuen

“Ich fordere Sie hiermit auf, die Behauptung, die Kriminalstatistik 1990 des Landes Bremen sei –verschönt' oder –gefälscht' zurückzunehmen. Sollten Sie dieser Aufforderung innerhalb der nächsten drei Tage nicht nachkommen, werde ich gerichtliche Schritte einleiten.“ Diese unmißverständliche Drohung richtete gestern Staatsrat Helmut Kauther, stellvertretend für den verreisten Innensenator Peter Sakuth, an den innenpolitischen Sprecher der CDU-Fraktion , Ralf Borttscheller.

Der CDU-Mann hatte auf einer Pressekonferenz am vergangenen Mittwoch erklärt, Sakuth habe bewußt eine Statistik präsentiert, in der 28 „Erfassungstage“ fehlten. Die laut Statistik um 1,4 Prozent gesunkene Kriminalität sei bei Hochrechnung der fehlenden Daten um tatsächlich 9,1 Prozent gestiegen (s.a. taz vom 28. 3. 1991).

„Ihre Erklärungen treffen nicht zu“, behauptet nun Kauther in einem offenen Brief an Borttscheller. Die polizeiliche Kriminalstatist (PKS) werde seit 1971 bundesweit als Ausgangsstatistik von den jeweiligen Fachbehörden erstellt. „Auf die Erstellung der Statistik übt die Ressortleitung des Senators für Inneres keinen Einfluß aus“, so Kauther. Der Vorwurf der Fälschung treffe also „unmittelbar die Beamten, deren Aufgabe die Erstellung der PKS ist“ und setze sie dem Vorwurf einer rechtswidrigen Handlung aus. „Nicht zuletzt die Fürsorge für die an der Erstellung der PKS beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Polizeipräsidiums und des Senators für Inneres gebieten, Ihre Wahlkampfattacken nicht einfach zu ignorieren.“

Zumindestens der Sprecher der Beschäftigten, Personalratsvorsitzender Hans-Jürgen Asche, hatte jedoch in der letzten Woche, ebenso wie der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Hans Schulz, Borttschellers Kritik unterstützt und auf die schlechte personelle Besetzung der Erfassungsstelle hingewiesen.

Borttscheller war gestern in Bremen nicht zu erreichen, hatte vor seiner Abreise aber in einer Presseerklärung versichert, er bleibe bei seinen Vorwürfen. Die Erklärung bezog sich allerdings nicht auf das Schreiben Kauthers, sondern auf ein Interview des Polizeipräsidenten Lüken vom Samstag, in dem Lüken seinen Chef Sakuth gegen den Fälschungsvorwurf verteidigt hatte. Borttscheller bezeichnete in seiner Pressemitteilung die Erklärung Lükens, bei der Polizeistatistik handele es sich um eine Ausgangsstatistik als „wenig hilfreich“, um darüber hinwegzutäuschen, daß die Statistik auf unzureichend erhobenen Daten basiere.

Borttscheller: „Wenn zukünftig die Erfassungsstelle noch schlechter besetzt wird, könnte der Innensenator einen noch stärkeren Rückgang der Kriminalität verkünden — falls er dazu noch jemals Gelegenheit haben sollte.“

asp

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen