Kunsthochschule gegen Auflösung

■ Wissenschaftssenator will Kunsthochschule Weißensee angeblich aus Geldmangel auflösen und der HdK angliedern/ Ausbildungsprofil paßt nicht ins Konzept/ Rektor Hückler will nicht aufgeben

Weißensee. Wenn im Osten nicht mehr aus ideologischen Gründen »abgewickelt« werden kann, wird mit finanzpolitischen Argumenten »aufgehoben«. Mit einem kurzsichtigen Vorschlag zur Kosteneinsparung preschte Wissenschaftsenator Manfred Erhardt vor. Nach dessen Vorstellungen soll die Kunsthochschule Weißensee bis zum 30. September aufgelöst werden. Ihre Abteilungen, hieß es, sollen in der Westberliner Hochschule der Künste (HdK) »aufgehen«. Von den 127 MitarbeiterInnen würden nach einem Ausschreibungsverfahren 70 übernommen. Die Gebäude würden der HdK als »Ressource« überlassen.

Noch im Dezember letzten Jahres versicherte die damalige Landesregierung, daß »die Kunsthochschule mit ihrem eigenständigen Profil und angesichts hoher Bewerberzahlen auch nach der Vereinigung Berlins notwendige Ausbildungsfunktionen für den Nachwuchs in Berlin wahrnimmt«. Jetzt beruft sich der Wissenschaftssenator auf einen Passus der Koalitionsvereinbarung, indem von vier in Berlin existierenden Kunsthochschulen die Rede ist — der HdK, der Musikhochschule »Hans Eisler« und den Schauspielschulen »Ernst Busch« und Weißensee — die aber nicht alle finanziert werden könnten.

Vor allem dieses Argument leuchtet den Weißenseern nicht ein. Der Haushaltsetat von 6,3 Millionen DM werde nicht die Ersparnisse bringen, die das Land Berlin braucht, zumal auch für die HdK mit einem Etat von ungefähr 112 Millionen DM bei der vollständigen Übernahme der Studenten und einem Teil der Lehrkräfte höhere Kosten nicht zu vermeiden sein werden.

Der Rektor der Hochschule, Alfred Hückler, vermutet ganz anderes hinter den Plänen des Senats. Der Wissenschaftsrat gab nach seinem Evaluierungsbesuchen die dringende Empfehlung aus, in Ost-Berlin eine Fachhochschule für Kunst, Design und Gestaltung einzurichten. Mit den gesparten Mittel wäre eine Neugründung ohne Belastung des Haushaltes des Wissenschhaftssenates möglich.

Die Weißenseer wehren sich vehement gegen den Vorwurf, eine »Dublette« der HdK zu sein. Zwar gleichen sich die Fächer bis auf den Studiengang Keramikdesign, aber durch die völlig andere Ausbildungsstruktur ist die Hochschule eine Alternative zur HdK. Zur Ausbildung in Weißensee gehört ein systematisch aufgebautes künstlerisches Grundlagenstudium für alle StudentInnen. Den Traditionen des Bauhauses verpflichtet, setzt man hier auf ganzheitliche Bildung und große Praxisnähe in Lehre und Arbeit.

Die Leitung der Hochschule will sich nicht als »Erfüllungsgehilfe einer anderen Idee benutzen lassen«. Sie sei gerade erst vor drei Wochen mit ihrer Konzeption gewählt worden, die Eigenarten dieser Schule zu erhalten. Bei einer Übernahme durch die HdK würden genau diese verlorengehen. Besonders perfide erscheint Hückler der Umstand, daß die Hochschule schon einmal verschwinden sollte. Weil es hier bei den letzten Kommunalwahlen im SED-Regime 52 Prozent Gegenstimmen gab, wollte man die Schule nicht länger als »Hort der Konterrevolution« dulden.

Hückler sieht noch nicht alles verloren. Vor allem baut er auf die stets in der HdK vertretene Meinung, die Kunsthochschule sei gerade als Alternative zur HdK zu erhalten. Aus dem Spannungsfeld der beiden Hochschulen versprach man sich produktive Zusammenarbeit. Diesen Gedanken hat man in Weißensee noch nicht aufgegeben, denn dem Vorschlag des Wissenschaftssenators muß die HdK erst noch zustimmen. anbau