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PKK-Verfahren: „Kronzeuge“ heute vor Gericht

Der Ex-Funktionär der Kurdenpartei soll die teilweise zusammengebrochene Anklage der Bundesanwaltschaft retten  ■ Von Bettina Markmeyer

Düsseldorf (taz) — Mit der Vernehmung des „Kronzeugen“ Ali Cetiner geht der Düsseldorfer Prozeß gegen derzeit noch 16 Mitglieder der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) heute in seine entscheidende Phase. Noch Mitte März hatte das Verfahren für Aufsehen gesorgt. Das Gericht bot acht Angeklagten, die zu Beginn des Prozesses vor eineinhalb Jahren der Öffentlichkeit als gefährliche Terroristen hinter einer Plexiglasscheibe präsentiert worden waren, die Einstellung ihrer Verfahren wegen Geringfügigkeit an. In den Monaten zuvor hatte sich der nach Cetiner wichtigste Zeuge der Anklage, Nusret Arslan, so in Widersprüche verstrickt, daß das Gericht seine Glaubwürdigkeit und die Brauchbarkeit seiner Aussagen anzweifelte.

Jetzt ruhen die Hoffnungen der Bundesanwaltschaft (BAW) auf Ali Cetiner. Den größten Terrorismus- Prozeß in der Geschichte der Bundesrepublik in Düsseldorf sowie den seit kurzem parallel verlaufenden PKK-Prozeß in Celle kann die BAW nur rechtfertigen, wenn sie beweist, daß die Angeklagten als Mitglieder der PKK eine terroristische Vereinigung gebildet haben. Auch in Celle soll Cetiner als „Kronzeuge“ aussagen. Die Düsseldorfer Verteidigung hat bereits erklärt, Cetiner sei „ein gekaufter, manipulierter und dubioser Zeuge“. Als erster Angeklagter in der Bundesrepublik kam Ali Cetiner im März letzten Jahres in den Genuß der rechtlich fragwürdigen und politisch äußerst umstrittenen „Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten“. Obwohl die 27. Strafkammer des Berliner Landgerichts nicht einschätzen konnte, ob Cetiners Aussagen für Verurteilungen im Düsseldorfer Kurdenprozeß ausschlaggebend sein werden, gewährte sie dem einstigen Spitzenfunktionär der PKK einen großzügigen Kronzeugenbonus: fünf Jahre Haft wegen Mordes statt lebenslänglich.

Dem Berliner Gericht hatte Oberstaatsanwalt Senge von der Bundesanwaltschaft eindringlich die „außerordentliche Wichtigkeit“ Cetiners für die Anklage im Düsseldorfer PKK-Verfahren verdeutlicht. Senge in Berlin: Bisher habe sich die Bundesanwaltschaft in einigen Punkten ihrer Düsseldorfer Anklage nur auf eine „mutige Indizienkette“ stützen können. Erst Cetiners Aussagen hätten die Anklage „rund gemacht“. Über den Düsseldorfer Prozeß hinaus haben die Aussagen des langjährigen PKK-Mitglieds Cetiner seit 1989 zu 16 Verhaftungen im In- und Ausland geführt. Heute soll der 37jährige nun vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts mit seiner Aussage beginnen. Fünf Morde und ein Mordversuch sind unter anderem in Düsseldorf angeklagt. Cetiner hatte in Berlin das Geständnis geliefert, mit anderen Parteimitgliedern 1984 den PKK-Dissidenten Murat Bayrakli „zum Tode verurteilt“ und hingerichtet zu haben. Von dem „Kronzeugen“ werden nun Aussagen zu weiteren Morden, zwei Entführungen und zur inneren Organisation der PKK erwartet. Laut Anklage sind alle in Düsseldorf beschuldigten KurdInnen Mitglieder einer terroristischen Vereinigung. Diese von der Bundesanwaltschaft nie genau definierte Gruppe mit der angeblichen Bezeichnung „Parteisicherheit, Kontrolle, Nachrichtendienst“ operiere, so die Anklage, innerhalb der PKK zur Bestrafung abtrünniger Parteimitglieder. Cetiner hatte in ersten Vernehmungen die Existenz dieser Organisation für Bestrafungsaktionen bestätigt. Im Oktober letzten Jahres jedoch relativierte er seine früheren Angaben. In der Praxis seien Bestrafungen abtrünniger Parteimitglieder nicht an die Zuständigkeit irgendeiner parteiinternen Gruppe gebunden gewesen.

Der Senat in Düsseldorf folgerte daraus jüngst, daß „eine Mitgliedschaft in einer mit der Tötung von Parteifeinden befaßten Sonderorganisation also nur aufgrund konkret übernommener Aufgaben festgestellt werden kann“. Im Klartext: Den Angeklagten müssen einzelne Taten nachgewiesen werden. Eine pauschale 129a-Anklage, wie sie die Bundesanwaltschaft konstruiert hat, reicht zur Verurteilung nicht aus. Cetiner muß in Düsseldorf konkret werden. Das dürfte ihn als ehemaligen Spitzenfunktionär der PKK aber auch selbst in Bedrängnis bringen.

Cetiner war im Januar 1989 wegen Mordverdachts im Fall Bayrakli von den Schweden an die Bundesrepublik ausgeliefert worden. Das nördliche Land hatte der Ex-PKKler nur durch die sprichwörtlichen Gardinen zu sehen bekommen, da er 1987 gleich bei seiner Einreise nach Schweden wegen falscher Papiere verhaftet worden war. Er soll dann als „Quelle A“ eine zwielichtige Rolle bei der Fahndung nach den Mördern Olof Palmes gespielt haben. Er habe Beweise, behauptete Cetiner damals, daß der Palme- Mord der PKK zuzuschreiben sei. Nachdem er diese Beweise jedoch nicht erbringen konnte, ließen die Schweden ihn fallen.

Als Cetiner in die BRD kam, war die Anklage für das Düsseldorfer Verfahren schon geschrieben. Nach der Logik der BAW hätte auch er selbst als ehemaliges PKK-Mitglied der Bildung einer terroristischen Vereinigung verdächtigt und in Düsseldorf angeklagt werden müssen. Zum Zeitpunkt des Mordes an Bayrakli war er immerhin ein führender Funktionär der Partei in Europa. Die BAW versprach ihm jedoch einen eigenen Prozeß in Berlin, Personenschutz, eine neue Identität und eine spätere Existenz im Ausland, wenn er aussage. Noch bevor die Kronzeugenregelung am 16. Juni 1989 Gesetz wurde, deutete die BAW Cetiner die Möglichkeit einer Strafmilderung bei einem Geständnis in Berlin und einem Zeugenauftritt in Düsseldorf an. Im Herbst 1989 schließlich machten die BAW und die Berliner Staatsanwaltschaft Cetiner die Zusicherung, daß sie sich für die Kronzeugenregelung einsetzen würden. Cetiner, der noch Anfang 1989 nicht hatte aussagen wollen, änderte seine Meinung und machte umfangreiche Angaben zur PKK.

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