: Kein BAföG für asylberechtigte IranerInnen?
Weil Bildungsministerium und Auswärtiges Amt nur spärlich kommunizieren, fallen iranische StudentInnen durchs weitmaschige BAföG-Netz/ Was die Behörden von den AntragstellerInnen verlangen, könnte deren Eltern gefährden ■ Aus Bonn Ferdos Forudastan
Mehrdad Moshiri* ist ratlos. Vor einer Woche hat das Freiburger Studentenwerk dem hier Medizin studierenden, asylberechtigten Iraner gestrichen, was er zum Leben braucht und was ihm nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) zusteht: Knapp 900 Mark monatlich. Ratlos, sagt Mehrdad Moshiri, ist auch sein iranischer Freund in Frankfurt, sowie der in Mainz, der in Bochum und der in Hamburg. Sie alle sollen vorerst kein Geld nach dem BAföG mehr bekommen. Vorerst — das heißt solange, bis sie nicht Auflagen erfüllen, die Beamte in Bonn ersonnen haben.
Angefangen hat für die hier lebenden asylberechtigten iranischen Studenten alles damit, daß ihr Heimatstaat sich vor etwa einem Jahr dem Westen wirtschaftlich stärker öffnete, indem er das bis dahin bestehende Verbot, Devisen ins Ausland zu transferieren, fast vollständig aufhob. Von diesem Akt unterrichtete die Deutsche Botschaft in Teheran das Auswärtige Amt in Bonn. Vom Auswärtigen Amt erfuhr es das Bundesbildungsministerium. Und dieses wies die Studentenwerke in der Republik neu an. Bis dahin hatte man von den iranischen Studenten hierzulande nicht — wie sonst nach dem BAföG üblich — verlangt, sie müßten nachweisen, daß ihre im Iran lebenden Eltern sie finanziell nicht unterstützen könnten. Das Devisentransferverbot sprach für sich. Nun, nachdem Teheran es wesentlich gelockert hatte, beschloß das Bildungsministerium, §11, Absatz 2a BAföG sei nicht mehr anwendbar, sprich, das Einkommen der Eltern könne nicht mehr länger außer Betracht bleiben, da sie nicht länger daran gehindert seien, Unterhalt zu zahlen. „Von wegen“, sagt Mehrdad Moshiri. Zu Recht. Der Wechselkurs ist nämlich so ungünstig, daß ein faktisches Devisentransferverbot im Iran weiter besteht. Nur wenige Privilegierte — und dazu zählen Eltern von als „Staatsfeinde“ geltenden Asylberechtigten natürlich nicht — bekommen Devisen billiger. Mehrdads Vater verdient als Lehrer etwa 10.000 Tuman im Monat. Um seinen Sohn mit 900 Mark zu unterstüzen, wäre er gezwungen, pro Monat mindestens 72.000 Tuman zu schicken. Mehrdad: „Sollen die in Bonn mir mal erklären, wie das gehen könnte.“
Bisher sahen sich „die in Bonn“ freilich nicht veranlaßt, solcherlei zu erklären. Bisher wissen nämlich jene, von denen der Erlaß stammt nichts von dem ungünstigen Wechselkurs. Und jene, die davon wissen, haben dieses Wissen für sich behalten. „Natürlich ist die Lage völlig anders, wenn die Eltern wegen des Umtauschkurses kein Geld schicken können. Daß sich das so verhält, war uns nicht bewußt“, sagt ein Sprecher des Bildungsministeriums. Seine Behörde habe vom Auswärtigen Amt lediglich erfahren, „Geld schicken geht wieder.“ Nachgefragt worden sei da nicht mehr. Auch das Genscher-Ministerium fühlt sich nicht verantwortlich. Zwar habe man gewußt, daß der offizielle Wechselkurs „de facto eine äußerst starke Einschränkung des Transfers bedeutet“, so eine Sprecherin. Seiner Informationspflicht sei das Amt jedoch nachgekommen, indem es dem Bildungsministerium berichtete, Teheran habe das Devisentransferverbot stark gelockert. Freilich: Die asylberechtigten iranischen StudentInnen leiden nun nicht nur wegen des spärlichen Austausches der Bonner Ministerien. Viele von ihnen fühlen sich wie Mehrdad Moshiri von den neuen Auflagen, die Bonn für sie ersonnen hat, „richtig an die Wand gedrängt“. Sie sollen nämlich nun den BAföG- Ämtern darlegen, daß ihre Eltern nicht genug verdienen, um sie zu finanzieren: mit Einkommensnachweisen, mit Steuerbescheiden und anderen amtlichen Belegen. „Als ob das in einer blutigen Diktatur so einfach wäre“, sagt Mehrdad Moshiri. Er hat sich bisher geweigert, seine Eltern um die vom Freiburger Studentenwerk geforderten Papiere anzugehen. Denn: „Das würde sie belasten, sie sogar gefährden.“ Seitdem der junge Iraner 1986 vor dem Mullah-Regime geflohen ist, werden seine Eltern überwacht. Die sogenannten Revolutionswächter verhören sie regelmäßig und werfen ihnen vor, ihrem Sohn, dem „Staatsfeind“, bei seiner Flucht geholfen zu haben. Ihr Telefon wird abgehört, die Post wird kontrolliert. „Müßten sie nun regelmäßig amtliche Belege beibringen“, so argumentiert Mehrdad Moshiri, „könnten sie nach fast vier Jahren des Leugnens, der Unterstützung eines Staatsfeindes überführt werden und kämen dadurch in Gefahr.“ Auch für Fälle wie Mehrdad Moshiri hat das Bildungsministerium den BAföG-Ämtern bereits einen Entscheidungskodex zukommen lassen: Das Einkommen der Eltern solle nur dann nicht angerechnet werden, wenn der Antragsteller durch „substantiierte, auf seinen Einzelfall bezogene Angaben nachweist, daß seine Eltern durch die Abgabe einer Einkommenserklärung oder durch die finanzielle Unterstützung selbst politische Verfolgungsmaßnahmen befürchten müssen.“ Die Latte für das Gelingen eines solchen Nachweises legte das Ministerium überdies sehr hoch: Die Eltern seien nur gefährdet, „wenn die Gründe, die im Falle des Auszubildenden zur Gewährung des Asyls geführt haben, durch oppositionelles Verhalten des Auszubildenden im Iran insbesondere gewaltsame Widerstandsakte oder Unterstützung des Kriegsgegners Irak geschaffen wurden.“
Wie andere betroffene IranerInnen lehnt es Mehrdad Moshiri ab, sich auf diese „nicht nachvollziehbaren“ neuen Bedingungen einzulassen. Als er das dem Freiburger Studentenwerk mitteilte, strich ihm die Behörde das Geld nach dem BAföG. Nun muß er darauf hoffen, daß sich vor Gericht durchsetzt, wie sein Anwalt Michael Moos die Bonner Richtlinien sieht: „Nicht sachgerecht“ findet der es nämlich, den Nachweis einer Gefahr für die Eltern, von Einzelheiten der oppositionellen Tätigkeit ihres Kindes abhängig zu machen.“ Und: „Wer sich so sehr gegen das Teheraner Regime gestellt hat, daß ihm die deutschen Gerichte politisches Asyl gewähren, dessen Eltern können leicht gefährdet sein.“
*Anm: Name geändert.
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