: „Echter“ Diamantring für 69 Mark
■ Betrügerische und unseriöse Kauf- und Arbeitsofferten überschwemmen den Osten/ Die alten Tricks ziehen in den neuen Ländern immer noch/ Anzeigen von Geneppten häufen sich bei der Kripo
Berlin. „Sie sind ein Glückspilz, Herr Müller, denn Sie haben garantiert gewonnen.“ So oder ähnlich beginnen persönlich adressierte Schreiben, die derzeit verstärkt auch in ostdeutschen Briefkästen landen. Der Empfänger, so heißt es, müsse nur seine Gewinn-Nummer und einen Bestellschein zurücksenden, um an der Endverlosung für ein Sport- Cabrio oder einen hohen Geldbetrag teilzunehmen. Der „Bestellschein“ hat es allerdings in sich: Er fordert 89 Mark für zwei Lederjacken.
Die Varianten dieser zwielichtigen Angebote sind offenbar unendlich. Einmal wird in einer Zeitungsannonce ein Goldring „mit acht funkelnden Diamanten“ für 69 Mark offeriert.
Ein anderes Mal verspricht eine Wahrsagerin aus der Schweiz mit wohlklingendem französischen Namen ihren persönlich angeschriebenen KundInnen „Enthüllungen“ über ihre angeblich grandiose Zukunft. Freilich nur, wenn der Adressat zu seiner Antwort auch siebzig Mark beilegt — „in bar oder mit Scheck“.
In den Niederlanden aufgegebene „Expreßmitteilungen“ versprechen den LeserInnen einen Fernseher, eine Armbanduhr, einen Geldbetrag oder einen Neuwagen, nachdem man dreißig Mark in das Tulpenland zurückgeschickt hat.
Die aus der bundesdeutschen Wirtschaftswunder-Ära bekannten Tricks ziehen immer noch in den neuen Ländern, denn dort wissen viele Menschen noch nicht mit solchen unseriösen Offerten umzugehen. Die Kriminalpolizei registriert deshalb viele Anfragen und Anzeigen von derart über den Tisch gezogenen BürgerInnen.
„Die Menschen in der ehemaligen DDR waren an fixierte Preise und Warenknappheit gewöhnt“, sagt Kriminaloberrätin Birgitt Griep vom Gemeinsamen Landeskriminalamt (GLKA) der neuen Länder in Berlin. „Du mußt zupacken, wenn du etwas bekommst“ — diese Mentalität ist, so Frau Griep, in den neuen Bundesländern weit verbreitet.
Die KriminalistInnen warnen gerade vor dem Hintergrund der angespannten sozialen Lage im Osten vor ebenfalls unseriösen Arbeitsangeboten. Beispielsweise für Heimarbeit: Für rund 80 Mark erhält man von einer Firma ein „Paket“ mit einem Informationsblatt, einem 50-Gramm- Wollknäuel und einem Dutzend Stoffmuster zugeschickt. Auch hektografierte Adressenlisten von Firmen, die angeblich Autos von Italien nach Deutschland überführen, werden für knapp 30 Mark als Arbeitsangebote gehandelt.
Ein Problem bei solchen Offerten: Ein Betrug ist schwer nachzuweisen. Denn der Besteller erhält tatsächlich eine Leistung — auch wenn sie ganz anders aussieht als zunächst vermutet. Zudem sitzen viele der Anbieterfirmen im Ausland, wo sie nur selten zu belangen sind. Frau Griep: „Man sollte hellhörig werden, wenn irgendwo Geld für ein unklares Angebot eingezahlt werden soll.“ Christian Böhmer (dpa)
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