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Erste Montagsdemo

■ Aufgerufen haben Bündnis 90, SPD und DGB

Magdeburg. In Sachsen-Anhalt gehen die Uhren ein bißchen langsamer. Das war schon im Herbst 1989 so, als im fernen Westen der DDR alles etwas später anfing — und das ist auch im Frühjahr 1991 nicht anders. Während in Leipzig die Zahl der MontagsdemonstrantInnen schon seit Wochen wieder nach Zehntausenden berechnet wird, gehen heute in Magdeburg zum ersten Mal die Menschen gegen die miese wirtschaftliche und soziale Situation in den neuen Ländern auf die Straße.

Aufgerufen zur Demonstration haben Bündnis 90/Grüne zusammen mit SPD, DGB und dem Kirchenkreis Magdeburg. Und das paßt den christliberalen Regierungsparteien überhaupt nicht. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Joachim Auer warf den MontagsdemonstrantInnen schon im vorab Fremdbestimmtheit, Verantwortungslosigkeit und latente Gewaltbereitschaft vor und provozierte damit eine aktuelle Debatte im Landtag.

Die Koalitionsfraktionen forderten die Demo-Aufrufer auf, lieber mit der Regierung eine konzertierte Aktion zu bilden, anstatt auf die Straße zu gehen. Immer wieder warnten sie vor zweifelhaften Rednern aus Ost und West, die ein Forum suchten, um die Unzufriedenheit der Bevölkerung für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Dabei fiel auch mehrfach der Name des IG-Metall-Chefs Franz Steinkühler.

Entrüstet wies der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Grüne, Hans-Jochen Tschiche, diese Vorwürfe zurück: „Wir kommen aus der Tradition der Gewaltlosigkeit und haben das im Herbst 89 ebenso wie jetzt ausreichend bewiesen.“ Wer aber den Demonstranten immer wieder Gewaltbereitschaft vorwerfe, schaffe ein Klima, „aus dem letztlich tatsächlich Gewalt entstehen kann“.

Ministerpräsident Gies (CDU) versuchte, die heutige Demonstration — da er sie schon nicht verhindern konnte — in seinem Sinne umzubiegen.

Mit der Zusage, seinen Arbeits- und Sozialminister Werner Schreiber (FDP) als Redner in die Bütt zu schicken, erreichte er, daß die Kundgebung vom Platz vor der Staatskanzlei vor das Landtagsgebäude verlegt wurde. Außerdem ging er beim Magdeburger Bischof Demke und bei der DGB-Spitze Druck machen mit dem Ziel, den Kreis der Demo-Aufrufer zu spalten.

Kirche und Gewerkschaft wies er darauf hin, daß sie schließlich überparteiliche Institutionen seien und sich durch den gemeinsamen Aufruf mit SPD und Bündnis 90/Grüne dem Vorwurf der Parteilichkeit aussetzten. Doch weder der Bischof noch die Gewerkschaft ließen sich beeindrucken.

Wie die MagdeburgerInnen auf den Aufruf reagieren werden, wird sich heute abend zeigen. Bündnis 90/Grüne wollen einen möglichen Mißerfolg nicht ausschließen. Eberhard Löblich

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