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Bremen schwarzrot hätte keine Identität mehr

■ Koalitionsdebatte 4: Elke Steinhöfel (SPD) erklärt, warum das ökonomische Kalkül für eine große Koalition irrig ist

Elke Steinhöfel weiß, wem sie widerspricht: Sie ist die Vorsitzende des Ortsvereins, dem auch der frühere Bildungssenator Franke angehörte, solange er in Bremen wohnte. Sie nimmt Stellung im Rahmen einer Serie, die Franke mit einem in der taz vom 11.4. begann. Die frühere Sozialamtsleiterin ist derzeit Bürgerschaftsabgeordnete.

Der niedersächsische Bürger Horst-Werner Franke — wir erinnern uns dunkel, er war mal unter dem Psydonym „Thomas“ Senator in Bremen — sorgt sich um die Politikfähigkeit und damit um die Selbständigkeit unseres Landes. Die Schulden Bremens gefährden demnächst unsere Handlungsfägigkeit, so Franke aus der dörflichen Idylle. Nur ein CDU-Finanzsenator kann uns retten, kann einen erfolgreichen Gang nach Canossa, zu Kohl, antreten.

Oh, unheiliger Thomas, wärst du doch im Senat geblieben oder wenigstens in Bremen. Dann hätte ich dir als deine SPD-Ortsvereinsvorsitzende die Leviten gelesen.

Ohne Frage: Bremen hat immense Schulden; daran muß gearbeitet werden. Wir haben die hohen Schulden großenteils deswegen, weil wir vom Bund in verfassungswidriger Weise benachteiligt werden. Es sind nicht primär unsere hohen Ausgaben, sondern die uns vorenthaltenen Einnahmen, die uns strangulieren könnten. Das Bundesverfassungsgericht Karlsruhe ist hier gefordert, nicht Herr Nölle.

Zum zweiten: Eine rigide Sparpolitik, bei der die politischen Akzente durch Sozialdemokraten bestimmt werden, also nicht nur zu Lasten der Schwachen und nicht unter Preisgabe der Ökologie zugunsten der Wirtschaft, ist weder mit Herrn Nölle noch mit der konturlosen FDP zu leisten. Entweder wir packen es alleine oder, wenn wir einen Partner brauchen sollten, wie es die Auguren prophezeien, dann einen, der die Grundsätze unserer Politik mitträgt (wie ausreichende Versorgung mit Kindergartenplätzen, gute Schulversorgung, umweltschonende Stadtgestaltung und Frauenförderung). Einen Partner, der, wenn denn über Sparen gesprochen werden muß, nicht noch nach rechts expandieren will. Der nicht mehr Polizei einstellen will, wenn schon bei den Sozialarbeitern gespart werden muß. Deshalb ist, Thomas Franke, rotgrün das allein akzeptable Bündnis.

Im übrigen: Ein so kleines Land wie Bremen kann seine Selbständigkeit nicht durch Anpassung oder Unterwürfigkeit sichern — was wäre eine solche Selbständigkeit noch wert? — sondern durch den Nachweis, daß es im Gefüge des Bundes sinnvolle und eigenständige Aufgaben wahrnimmt. Ein rot- schwarz regiertes Land Bremen braucht niemand. Weder CDU noch SPD werden sich auf Bundesebene für diesen Homunkulus engagieren. Für die sozialdemokratisch regierten Länder hätte Bremen keine eindeutige Identität mehr, die seine Eigenständigkeit rechtfertigen würde. Für die CDU bliebe ein rot-schwarzes Bündnis in Bremen ein Stück Exotik, aber kein zukunftsweisendes Koalitionsmodell. Das Opfern eines solchen Landes wäre weder ein Schlag gegen die Roten noch gegen die Schwarzen. Keine der großen bundespolitischen Kräfte fühlte sich in der Pflicht, eine Barriere gegen die außerhalb Bremens verbreitete Tendenz, das kleine Land „plattzumachen“, zu errichten. Elke Steinhöfel

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