Berlin enttäuscht: Keine Polen

■ Geschäftsleute blieben auf ihren extra eingekauften Waren sitzen

Berlin. Die für das Wochenende erwartete Bereicherung Berlins durch polnische Touristen blieb aus. Enttäuscht meldeten viele Geschäfte in der Wilmersdorfer Kantstraße einen »überaus ruhigen« Tag; die rund 40 zollfreien Im- und Exportläden blieben auf ihren extra eingekauften Vorräten sitzen. Das aus dem Vorjahr vertraute Bild von Polen, die mit vollgepackten Rucksäcken in Warteschlangen vor Billigsupermärkten stehen, wiederholte sich nicht.

Dies war im Prinzip auch zu erwarten: Während im letzten Jahr für Polen nur in Berlin und in der Nachwendezeit auch auf dem Gebiet der Ex-DDR die Visumfreiheit galt, dürfen sie seit einer Woche in alle Staaten des Schengener Abkommens ohne Visum einreisen. Auch der Handel lohnt sich kaum noch: Seit der Währungsunion können die Polen nicht mehr günstig in Ostdeutschland einkaufen; in Polen selbst gingen die Preise immens in die Höhe, lediglich Alkohol und Zigaretten sind dort noch billiger zu haben. Massive Aufklärungskampagnen und verschärfte Ausfuhrbedingungen seitens der polnischen Regierung tun ihr übriges.

Entsprechend waren die beiden Züge aus dem Nachbarland, die am Sonnabendvormittag in Lichtenberg eintrafen, nur zu rund 30 Prozent besetzt. Die rund 170 Polen, die sich vorgestern dennoch auf dem Gelände des Tiergartener »Polen-Marktes« einfanden, zerstreuten sich, nachdem sie von der Polizei darüber informiert worden waren, daß der Handel dort verboten sei. Viele Geschäfte mußten erhebliche Einbußen hinnehmen. Von den Kaufhäusern vorsorglich getroffene Sicherheitsmaßnahmen gegen vermehrte Diebstähle werden vorraussichtlich in den nächsten Tagen wieder aufgehoben. Die zwölf zusätzlichen Detektive bei Karstadt werden nach Angaben des Geschäftsführers Michael Genger ab heute nicht mehr gebraucht.

Auch die Berliner Senatsinnenverwaltung meldete eine ruhige Woche. Der verstärkte Einsatz von Polizeikräften — sie sollten den illegalen Handel auf der Straße unterbinden und polnische Fahrzeuge auf Verkehrssicherheit überprüfen — erwies sich als nicht nötig. Umso mehr Zeit hatten die Beamten, um an Verkehrsknotenpunkten Merkblätter für polnische Reisende zu verteilen. Die in einer Auflagen von 50.000 Exemplaren gedruckten Informationen enthalten in deutscher und polnischer Sprache Hinweise unter anderem über Bestimmungen zur Fahrzeugsicherheit. Auch der Führer des Berliner Informationszentrums Berlin für junge Leute erscheint mittlerweile in polnischer Sprache und wird vom polnischen Sozialrat herausgegeben. maz