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Sofortkunst

■ Gottfried Helnwein, ein Polaroid-Workshop und zwei blasse Kinder

Frau Mysegades weiß eigentlich nicht, warum sie hier ist. Oder doch: ihre Nicole und ihr Florian, die sollen nämlich fotografiert werden. Nein, der Künstler sagt ihr auch nichts. Vielleicht hat sie den mal im Fernsehen gesehen, das kann sein. Die beiden zartbitteren Blondchen, sechs und vier, warten jedenfalls klein und heimlich auf ihren Auftritt vor der sagenhaften Riesenpolaroid-Kamera, die's nur einmal in Europa und einmal in New York (naja da!) gibt und vom Fotoforum nach far far away Bremen geholt wurde. Unter anderem für Gottfried Helnwein (s.Interview), den scientologyumwobenen Multi-Aktionist Wiener Schule, der hieran Kunst- StudentInnen seine Fotokunst beweisen soll, Titel: „Künstlerische Umsetzungen mit dem Medium Sofortbild“.

Und eben zur sofortkünstlerischen Umsetzung sind Nicole und Florian aus ihrem Kindergarten in die Hochschule für Künste gekommen — zwei Modelle für das Zentralthema Helnweins: das Kind und der unschuldige Ausdruck. Ein trügerischer. Als wären Nicole und Florian nicht schon blaß, malt Helnwein ihre kleinen Gesichter weiß — was später eine erste erbitterte Debatte zwischen Flur, Tür und Angel ergeben wird, weil u.a. eine Studentin den Ausdruck „neutral“ für ein weißes Gesicht nicht gelten läßt — und stellt zuerst Nicole vor die große Linsen-Mündung der Schnellbild-Kiste. Die Studenten drängeln, die Pferdeköpfchen an Nicoles Ohren wackeln, ruhig bitte, und: plopp macht schnell die Polaroid, als wär' ein Vögelchen rausgefallen.

Nach 80 Sekunden ist das Riesenfoto ausziehbar. Die Mutter erschrickt. So eintönig sieht ihre Nicole aus, so plötzlich so traurig. Die Studenten sind wahlweise zurückhaltend oder unschlüssig, ein Konrektor kritisiert Konzeptlosigkeit. Die meisten finden richtig, daß Helnwein hier sein darf. Helnwein findet gut, sofort zu sehen, was er gemacht hat. Aus einem Kindergesicht eine Klage. Nicole sieht plötzlich sehr alt aus. claks

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