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Prozeß um eine Horror-Nacht

■ Mann brachte eine Familie in seine Gewalt und vergewaltigte Frau und Tochter/ Angeklagter rechtfertigt sadistischen Überfall mit seiner eigenen Lebensgeschichte

Berlin. Für eine Nacht grausamer Quälereien an einem im September 1989 gerade aus der damaligen DDR übergesiedelten Ehepaar und seiner elfjährigen Tochter muß sich seit gestern ein 27jähriger Mann vor dem Berliner Landgericht verantworten. Ihm wird Vergewaltigung, sexueller Mißbrauch und schwere räuberische Erpressung vorgeworfen.

Der angeklagte Steinsetzer war in die Schöneberger Wohnung eingedrungen, hatte die Familie bedroht und Mutter und Tochter vergewaltigt. Der Ehemann war die ganze Zeit über gefesselt. Der Beschuldigte ist weitgehend geständig. Der Mann schilderte, daß es für ihn ein Erlebnis gewesen sei, das Leben der Familie in seiner Gewalt zu haben. Wie ein Pascha sei er sich vorgekommen. Als Grund für sein Verhalten gab er an, er habe mal so gnadenlos sein wollen, wie andere zu ihm gewesen seien. Er sei selbst von seinem Stiefvater vergewaltigt worden. Auch als er auf den Strich gegangen sei, habe man ihm Gewalt angetan. Ein derartiger Sadismus, meinte demgegenüber die 37jährige Ehefrau als Zeugin, sei mit der Lebensgeschichte des Angeklagten nicht zu rechtfertigen. Die Todesängste in jener Nacht werde sie nicht vergessen. Der Mann habe sie ständig mit einem Messer, Schraubenzieher oder einer Schere bedroht. Sie habe ihren Mann fesseln müssen und sei in der Küche vergewaltigt worden. Dabei habe ihr der Angeklagte ein Messer an den Körper gehalten. Er habe sie die ganze Zeit an den Haaren gezogen und auf Knien durch die Wohnung gezerrt. Ihrem Eindruck nach habe er sich »sehr wohl gefühlt« bei der Quälerei. Auf die Vernehmung des Mädchens wurde verzichtet.

Als der Angeklagte nach vielen Stunden schließlich mit der gefesselten Frau neben sich eingeschlafen war, gelang es dem Paar, ihn zu überwältigen. Noch Monate nach der Tat litt die Familie unter Angstzuständen. Nach jahrelangen Repressalien in der Ex-DDR hatte die Familie gerade zwei Wochen in der Schöneberger Wohnung gelebt. Nach der Schreckensnacht zog das Paar zunächst mit der Tochter zu Bekannten. Der Prozeß wird am Freitag fortgesetzt. dpa

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