: Wie Polen mit der Lebensmittelhilfe umging
■ Der Oberste Rechnungshof zeigt sich zufrieden: Nur wenig Mißbrauch/ Mehr Tadel für Banken als für Kreditnehmer
Warschau (taz) — Ende letzten Jahres wandte sich das Präsidium des Sejm, des polnischen Parlaments, an den Obersten Rechnungshof, um die Verwendung der Gelder zu prüfen, die aus der westlichen Lebensmittelhilfe stammen. Der Rechnungshof hat nun die Ergebnisse seiner Recherchen vorgelegt: Das Programm war ein voller Erfolg.
Noch Anfang der achtziger Jahre waren die Lebensmittellieferungen in die falschen Hände geraten. Um zu verhindern, daß dies mit den überwiegend aus der EG stammenden Hilfsgütern erneut passiert, hatten die Geberländer 1989 vereinbart, daß die Lebensmittel in Polen zu Marktpreisen verkauft werden mußten. Der Erlös daraus sollte über eine Stiftung für die Modernisierung der polnischen Landwirtschaft verwendet werden. Die Leitung des so entstandenen „Europäischen Fonds zur Entwicklung des polnischen Landes“ wurde paritätisch besetzt und erarbeitete die Regeln zur Kreditvergabe, nach denen polnische Banken dann Vorzugskredite für Landwirte vergeben konnten.
Kredite sollten nur dann vergeben werden, wenn dadurch die landwirtschaftliche Produktion gesteigert, die Infrastruktur verbessert oder bestimmte Bereiche wie Wasserversorgung, Transport oder die Lebensmittelverarbeitung gefördert werden konnten. Dann konnten die Banken stark verbilligte Kredite von bis zu 3 Milliarden Zloty (200.000 DM) vergeben, wobei die Kreditnehmer mindestens 10 Prozent Eigenkapital vorweisen mußten. 1990 wurden auf diese Weise über 165 Milliarden Zloty vergeben. Sie flossen fast zur Hälfte in die Verarbeitung, ein Drittel wurde für die Anschaffung von Landmaschinen verwendet.
Dem Bericht zufolge verwendeten fast alle Kreditnehmer ihre Mittel entsprechend den Bedingungen des Fonds. Bei Kreditvergaben von über einer Milliarde Zloty stellten die Prüfer überhaupt keine Unregelmäßigkeiten fest, bei geringeren Vergaben betrug die Fehlerquote gerade neun Prozent. In diesen Fällen hatten Landwirte Kredite für Vorhaben beantragt, die bereits abgeschlossen waren, Teile der Kredite zweckentfremdet oder mehr Eigenmittel vorgespiegelt, als sie wirklich besaßen. So erhielt etwa ein Bauer aus Opatow 100 Millionen Zloty zur Einrichtung eines Ladens mit Kühlraum, mit denen er sich dann einen westlichen Lieferwagen kaufte. Bei Wroclaw (Breslau) erhielt ein Landwirt 11 Millionen Zloty für den Bau eines Brunnens, den er bereits vorher aus eigenen Mittel fertiggestellt hatte.
Diese Unregelmäßigkeiten gehen nach Ansicht des Rechnungshofs vor allem darauf zurück, daß Polens Genossenschaftsbanken, die für die Kreditvergaben zuständig sind, häufig nicht über genügend Personal verfügen, um ihren Kunden auf die Finger zu sehen. Der Rechnungshof monierte auch, daß die Informationen der Banken über die vorteilhaften Kreditlinien nicht überall bekanntgegeben worden waren.
Daß dagegen einige Kreditnehmer ihre Projekte nicht termingemäß abschließen konnten, war nicht immer ihre Schuld: Oft zogen die Banken die Auszahlungen in die Länge, oder notwendiges Material wurde zu spät angeliefert. Kreditanträge wurde dagegen von den Banken nur ganz selten abgelehnt, auf über 2.000 Anträge entfielen gerade 30 Absagen. Inzwischen wurden die Fondsregeln etwas verschärft: Die Kreditziele sind nun genauer definiert, die Zinsen wurden leicht angehoben und das notwendige Eigenkapital beträgt nun 30 Prozent. Klaus Bachmann
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