: Kein Grund zum Feiern
■ Austellung zur Geschichte der Preussischen Akademie der Künste von 1696 bis 1945
Mit Blick auf das 1996 bevorstehende 300jährige Jubiläum der Akademie der Künste haben in einem auf drei Jahre begrenzten Forschungsprojekt der Archivar der 1954 in West-berlin neugegründeten Kunstinstitution.Herr Strecke und seine wissenschaftlichen Mitarbeiter Frau Menke und Herr Kampe 1990 mit der Auswertung dieses reichhaltigen Materials begonnen. Ein erstes Ergebnis ihrer Arbeit ist jetzt auf einer Ausstellung in der Archiv-Dependance zu sehen. Ein Bericht von Thomas Schröder.
Diese Ausstellung wurde zur diesjährigen Mitgliederversammlung der Akademie eröffnet, obwohl der Materialband, der die präsentierten Exponate in einen größeren Kontext einordnet, noch nicht vorliegt. So zeigen die Vitrinen das bisher ausgewertete Archivmaterial: Statuten, Petitionen und Sitzungsprotokolle aus dem Akademiebetrieb sind neben Presseberichten über Aktivitäten und Wirkungen der Kunstbehörde ebenso zu sehen, wie Photographien, Porträtbüsten und Lebensläufe einzelner Künstler. Da die Kunstsammlungen und Bibliotheken der Akademie vernichtet oder verlorengegangen sind, bleibt dieses Material der einzige Anhaltspunkt einer historischen Einschätzung.
Ausgangspunkt der Schau sind die Räumlichkeiten, die den Künstlern zur Verfügung gestellt wurden. In ihnen sollten sie einerseits Unterricht in Zeichnung, Malerei und Architektur erteilen, andererseits aber auch die Anschaffung von Kunstwerken begutachten und zum Vorschlag bringen.
Schien zunächst der Marstall an den Linden »ein ansehnlicher und bequemer Ort« zu sein, um in diesem Sinne zusammenzukommen und »von den Künsten zu räsonieren«, so stellte sich bald heraus, daß die kulturellen Ambitionen der bürgerlichen Künstler und die barocke Selbstdarstellung ihres kurfürstlichen Mäzens langfristig nicht zusammengingen. Schon bald nach der Gründung der Akademie durch Friedrich III. sahen sich die Künstler vor allem in der Regierungszeit des Soldatenkönigs finanziell kaum mehr in der Lage, ihren Lehraufgaben nachzugehen. Eine Situation, die durch das Brandunglück von 1743, das fast alle Arbeitsräume zerstörte, noch verschärft wurde.
Abhilfe schaffte erst das Reformprogramm des preussischen Staatsministers Heinitz, der im Statut von 1790 die Konditionen neu festlegte. Mehr als um elitäre künstlerische Berater- und Lehrtätigkeit ging es ihm um eine Geschmackserziehung des Volkes und die kunstgewerbliche Ausbildung von Handwerkern. Kulturelle Bildung wird als Weg bürgerlicher Emanzipation antizipiert und staatlich unterstützt. Welche unterschiedliche Interpretation diese akademischen Weihen für die künstlerische Arbeit annehmen kann, veranschaulicht die Ausstellungsrubrik: »Ausführung von Kunstwerken im allgemeinen volksthümlichen Interesse für die Gegenwart«. Zeigt sich ein solches Engagement im Zuge der bürgerlichen Revolution von 1848 noch als Unterstützung fortschrittlicher Tendenzen, so wird es im faschistischen Kontext mißbraucht, um nicht zuletzt für rassistische, »volksthümliche« Ideologien einzustehen.
Es ist ein besonderes Verdienst der Ausstellung, in der Darstellung der einzelnen Akademie-Sektionen und ihren Aktivitäten immer wieder diese Zäsur herauszuarbeiten. So, wenn ein besonderes Gewicht auf das Engagement von Heinrich Mann und Käthe Kollwitz für die Einheitsfront von KPD und SPD 1932 gelegt wird, für das sie sich, wenn auch ohne Erfolg, innerhalb der Kunstsektionen der Akademie einsetzten. Ein weiteres Dokument des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus bildet der Protest gegen die Zuordnung von Strawinskys Kompositionen zur »entarteten Musik«, wie sie 1938 von der Sektion für Musik initiiert wurde. Gerade hier aber wird auch deutlich, wie fraglich die staatliche Orientierung der Akademie in einem solchen Ausnahmezustand bleibt. Disputiert man doch zugunsten des Komponisten mit Argumenten, die dem nationalsozialistischen Denken nur allzusehr entsprechen: Allen Wert legen Strawinskys Verteidiger darauf, daß er nicht als jüdischer, d.h. entarteter Künstler gelten könne.
Hier offenbart sich die grundsätzliche Fragwürdigkeit akademisch- staatlicher Einmischung in die Kunst. Waren, wie die Ausstellung es mit den Forschungen von Inge Jens zu der erst in den zwanziger Jahren gegründeten Sektion für Dichtkunst andeutet, die Schriftsteller zuvor froh, nicht national und institutionell vereinnahmt zu werden, stellten doch die literarischen Zirkel von Henriette Herz und Rahel Varnhagen eine der entscheidendsten Inspirationen des akademischen Kunstbetriebes dar. So setzte sich das Akademiemitglied Schadow gegen den Widerstand des preussischen Königs entschieden für die Aufnahme jüdischer Intellektueller, etwa der Musiker Meyerbeer und Mendelssohn, in die Akademie ein. Mit ihnen aber war der Bildhauer erst über die literarischen Salons bekannt geworden. Im Bereich universitärer Wissenschaft und Kunst blieb das bis ins 20. Jahrhundert die Ausnahme.
Dieser Tradition blieb die Akademie der Künste noch in den zwanziger Jahren verbunden: Der damalige Präsident Max Liebermann stellte die eigenen Vorurteile gegenüber expressionistischen Künstlern wie Beckmann und Munch zurück und sich deren öffentlicher Anerkennung durch Ankauf und Ausstellung ihrer Gemälde seitens der Akademie nicht entgegen. Seinem Haus verhalf er dadurch zum Renommee einer öffentlichen Kunstinstitution, die sich gegen staatliche Bevormundung und rechtsradikale Polemik in Sachen Kunst mehr und mehr profilierte.
Erstaunlich, daß es unter diesen Voraussetzungen nach der Gleichschaltung durch die Faschisten nicht zu einer Auflösung der Akademie kam, es bei einzelnen Austritten blieb. Die 300jährige Geschichte der Akademie präsentiert sich in dieser Ausstellung zwar als vielfältig, in einem aber eindeutig: Es gibt keinen Grund zu feiern.
Ausstellung in der Archiv-Dependance, Spandauer Damm 19 bis zum 31.8.91
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