Das Geiselgeschäft der Reagan-Truppe

Neue Anschuldigungen gegen die Reagan-Mannschaft, sich den Wahlsieg über Jimmy Carter durch einen Geiselhandel mit Teheran erkauft zu haben/ Auch Bush soll dabeigewesen sein  ■ Aus Washington Rolf Paasch

Das Gerücht zirkulierte bereits, als die 52 amerikanischen Geiseln im Iran am 21. Januar 1981 nur fünf Minuten nach dem Amtsantritt der Reagan-Administration freigelassen wurden. Wahlkampfhelfer Ronald Reagans, darunter auch der heutige US-Präsident George Bush, sollen im Herbst 1980 mit dem Chomeini- Regime in Teheran einen schmutzigen Handel abgeschlossen haben: Die Reagan-Leute versprachen dem Iran über Israel abzuwickelnde Waffenlieferungen und eine Freigabe in den USA eingefrorener iranischer Guthaben; und im Gegenzug behielt das Chomeini-Regime die 52 in Teheran festgehaltenen amerikanischen Geiseln bis nach den Wahlen in den USA in seiner Gewalt, um mit deren vorzeitiger Freigabe nicht die Aussichten Präsident Carters auf eine Wiederwahl zu verbessern.

Doch nun hat der ehemalige Mitarbeiter des Nationalen Sicherheitsrates unter Jimmy Carter, Gary Sick, neue Indizien für ein solches Geiselgeschäft vorgelegt. Zwar kann auch der Nahost-Experte Sick kein „smoking gun“ und damit keinen zweifelsfreien Beweis für Abmachungen zwischen der Reagan-Mannschaft und Chomeini liefern. Mit der Bestätigung eines solchen Deals durch insgesamt 15 Zeugen aus acht Ländern hat Sick nun aber eine eindrucksvolle Indizienkette für die kriminelle Amtserschleichung der Reagan-Administration erstellt. Unabhängig voneinander berichten Waffenhändler, CIA-Agenten, Polit-Berater und israelische Geheimdienstmitarbeiter von zahlreichen Kontakten zwischen Reagans Wahlkampfhelfern, zwielichtigen Mittelsmännern und Vertretern des Regimes in Teheran.

Eine Freilassung der 52 Geiseln hätte das Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Präsident Carter und seinem Herausforderer Reagan im November 1980 mit großer Wahrscheinlichkeit für den Amtsinhaber entschieden. Es war damals vor allem der zum Vizepräsidenten ausersehene George Bush, der mit seinen Warnungen vor einer sogenannten „Oktober-Überraschung“, das heißt der von den Republikanern befürchteten vorzeitigen Freilassung der Geiseln, im Wahlkampf durch die Lande zog.

Nach den von Gary Sick am Montag in der 'New York Times‘ und am Dienstag in der Fernsehserie Frontline vorgestellten Recherchen arbeitete der Reagan-Vertraute und spätere CIA-Chef William Casey zur gleichen Zeit daran, diese „Oktober- Überraschung“ auszuschließen. Der 1987 verstorbene Casey soll sich nach zahlreichen Zeugenaussagen zwischen August und Oktober 1980 in Madrid und Paris mit dem iranischen Mittelsmann Mahdi Karrubi getroffen haben, der heute Präsident des iranischen Parlaments ist. Drei der Zeugen wollen auch George Bush bei mindestens einem dieser Treffen um den 20. Oktober in Paris gesehen haben. Obwohl das Weiße Haus diese Behauptung erneut zurückwies, hat Bush bisher versäumt, für diesen Termin ein eindeutiges Alibi vorzulegen. Unstrittig ist jedoch, daß bis zum Frühjahr 1981 Waffen und Ersatzteile in Höhe von mindestens 53 Millionen Dollar über Israel in den Iran verschoben wurden. Schon 1980 hatte die Regierung Begin das von Präsident Carter verfügte Waffenembargo durchbrochen. Er selber, so erklärt Gary Sick heute, habe die ihm seit zehn Jahren bekannten Gerüchte über einen solchen Geiselhandel nicht glauben wollen, ehe ihn die Indizienkette nun vom „skeptischen Nachforscher zum Gläubigen“ gemacht habe.

Selbst nach der Aufnahme des Themas durch etablierte Nachrichten- und Diskussionssendungen im Fernsehen bleibt fraglich, ob das Establishment Washingtons nun willens ist, doch noch einmal Licht ins Dunkel der Reagan-Dekade zu bringen. Dabei wäre eine Aufklärung der angeblichen Geiselaffäre — über den der israelische Geheimdienst und damit auch die Regierung Schamir mehr weiß als der amerikanische Bürger gerade zum derzeitigen Stadium der Friedensverhandlungen im Nahen Osten — von größter Bedeutung. Denn eine der Implikationen des Geiselhandels von 1980, so formulierte es Gary Sick, sei, „daß sich die Führer der USA damit der Möglichkeit der Erpressung durch den Iran oder Israel ausgesetzt haben“.