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Streik legt Industrie lahm

■ UdSSR-Stahlindustrie droht Stillstand durch Bergarbeiterstreik/ Weitere Arbeitsniederlegungen angekündigt/ Produktionsrückgang in der Industrie

Moskau (dpa) — Der seit Wochen anhaltende Bergarbeiterstreik in der UdSSR hat die sowjetische Stahlindustrie an den Rand des Stillstands gebracht. Die amtliche sowjetische Nachrichtenagentur 'Tass‘ meldete am Donnerstag, „wegen Brennstoffmangels steht die Stahlindustrie am Rande eines Produktionsstopps“. Die sozialen Spannungen näherten sich dem „Siedepunkt“. Ein Ende des Arbeitskampfes war am Donnerstag nicht abzusehen. In der Russischen Föderation und in Weißrußland wurden weitere Streiks angedroht.

Zwei Hochöfen im Stahlzentrum von Nowo-Lipetzk sind laut 'Tass‘ bereits erkaltet. Dies werde „eine Kettenreaktion bei anderen Industriezweigen auslösen“. Das sowjetische KP-Organ 'Prawda‘ hatte in diesem Zusammenhang berichtet, als Folge des Bergarbeiterstreiks würden der Autoindustrie bereits 93.000 Tonnen Roheisen fehlen. Das führe zur Verzögerung bei der Produktion von 57.000 Nutzfahrzeugen, was wiederum bei dem anhaltenden Mangel an Landmaschinen auch die diesjährige Frühjahrsaussaat gefährde.

Nach einer 'Tass‘-Übersicht sind durch Streiks allein im März 1.169.000 Arbeitsstunden verlorengegangen. Insgesamt seien 542 Unternehmen betreikt worden, darunter mehr als 100 Bergwerke. Aus den Zentren der Bergarbeiterstreiks in Workuta und dem sibirischen Kusnezker-Revier wurden rund 600.000 beziehungsweise mehr als 800.000 Tonnen Steinkohle weniger an die Industrie geliefert als eingeplant. Allein durch den Streik im westsibirischen Kohlebergwerk Raspadskaja ist 'Tass‘ zufolge ein Schaden von rund 30 Millionen Rubel (knapp 30 Millionen Mark) entstanden. 'Tass‘ meldete weiter, daß am Donnerstag erstmals wieder Kohle diesen Betrieb verlassen hat, nachdem, wie gefordert, die Grube aus dem Kohleministerium der UdSSR ausgegliedert und direkt der Verantwortung der Russischen Föderation unterstellt worden war.

Wie in den Kohlerevieren der UdSSR ruht die Arbeit auch in Betrieben anderer Branchen in Rußland, der Ukraine, Georgien und Aserbaidschan.

Die sowjetische Nachrichtenagentur 'Interfax‘ meldete am Donnerstag, nachdem Gespräche mit der Führung Weißrußlands in eine Sackgasse geraten seien, habe das „Republikanische Streikkomitee“ angekündigt, am kommenden Dienstag den für die Dauer der Verhandlungen unterbrochenen Generalstreik in der Sowjetrepublik wiederaufzunehmen. Die unabhängigen Gewerkschaften der Russischen Föderation haben für den nächsten Donnerstag zu einem Warnstreik in der größten und bevölkerungsreichsten Sowjetrepublik aufgerufen. Wie 'Tass‘ weiter meldete, stellt die Organisation dabei den Arbeitskollektiven frei, wie lange sie streiken.

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