INTERVIEW: »Angst, ob man das alles verkraften kann«
■ Interview mit Dr. Wolf Rainer Cario, Leiter der 2. Kinderklinik am Klinikum Buch/ Cario wird Ende der Woche mit einem Team von Berliner Medizinern in das kurdische Flüchtlingsgebiet fliegen
taz: Fühlen Sie sich vorbereitet auf das, was auf Sie zukommt?
Cario: Das wird man psychisch und physisch wohl nur schwer verkraften. Vor allem, wenn ich weiß, daß ich nur einen Bruchteil der Menschen, die es nötig hätten, behandeln kann. Und wenn ich weiß, daß zum Beispiel viele Kinder vor meinen Augen sterben, die eigentlich nicht sterben müßten. Kinder, denen man helfen könnte, wenn wir etwas schneller gewesen und etwas besser ausgestattet wären.
Man geht da nicht mit der Euphorie hin, jetzt helfen zu können, sondern eher mit ein bißchen Angst. Nicht vor der konkreten Aufgabe, sondern davor, ob man das selbst alles verkraften wird. Das wird sehr hart.
Sie werden möglicherweise nicht nur feststellen, daß man vielen Flüchtlingen früher hätte helfen müssen, sondern daß der humanitären Hilfe von türkischer Seite auch noch Steine in den Weg gelegt werden...
Nun, die ganze Situation ist doch völlig absurd. Dieses Elend ist durch einen Krieg und eine Völkervertreibung entstanden. Da sind Menschen brutal aus ihrem Umfeld herausgerissen worden. Viele von den Flüchtlingen in den Bergen sind Städter gewesen mit ähnlichen Berufen wie wir. Für die ist es enorm schwierig, in dieser Situation zu überleben.
Hätte diese Katastrophe verhindert werden können?
Wie gesagt, es handelt sich hier nicht um eine Naturkatastrophe, die man nicht verhindern konnte. Das ist ein Wahnwitz, daß es überhaupt soweit gekommen ist — und dieses Wissen belastet zusätzlich, wenn man jetzt dorthin fährt, um zu helfen. Aber die Entscheidung für einen Krieg ist offenbar schneller und leichter zu fällen als für andere Dinge. Gespräch: Andrea Böhm
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