Schnell wie der Zauber

■ Wie ein frischer ICE-Zug auf Gleis 1 erschien und wieder verschwand

Sphärische Streicher und himmlische Harfenklänge und ein Spalier weißer Elfen empfangen erstaunte BesucherInnen, bläuli

die Karikatur zum

schnellen Zug

ches Licht schimmert von irgendwo, silberne Wesen von fremden Sternen heißen sie geheimnisvoll lächelnd willkommen, und da ist ja ein Jongleur und viele weiße Tische, festlich gedeckt und von einem mit schwarzem Stoff umwehten venezianischen Riesenvogel bewacht, und der Sekt sprudelt in allen Farben, und der Zauberer zaubert Bälle und ganze Kartenspiele hinter den Ohren hervor, zwei traurige

Clowns essen Bananen, die zweihundert Gäste nehmen Platz und die Hostessen von der PR-Agentur haben weiße Stretchkleider an, da vorne sind auch noch Plätze.

Entre Deux Mers oder Ihringer Vulkanfelsen, Petersilienmousse mit Tomatenchutney und Austern, Zwiebelpuffer, Lachs, Crème fraîche, Putenlebermousse als Vorspeise. Den Rest bringen steife Ober, die sind von einer Künstleragentur in Berlin, und die gucken streng und wollen die feinen Gäste erziehen, die sich bald die Bäuche halten vor Lachen. Und wie es so kurzweilig ist beim Essen, merkt man gar nicht, wie die Zeit vergeht, nur einige Damen sind bereits gegangen.

Noch unter dem Eindruck eines Artistenpaares - die Frau, ein Schlangenmensch, konnte die Beine werweißwohin biegen und ein Teufelsgeiger spielte dazu - erklimmen wie in Trance die erlauchten Gäste durch einen weißen Tunnel den Bahnsteig, und unter Musikgetöse und ganz viel Nebelschwaden schwebt plötzlich der dampfende Zug ein.

Wie frisch geschlüpft und noch warm öffnet er seine Türen, die aussehen wie Bullaugen und die Leute strömen in all seine Ecken, die er nicht hat, weil alles stromlinienförmig ist. Er ist 400 Meter lang, hat 14 Waggons (?), riecht innen noch neu, hat ergonomische Sitze, Platz für 700 Leute und kostet 50 Millionen Mark pro Stück und ist 250 km/h schnell. In sanften Pastelltönen gehalten, mit Behindertenklo und Tischchen an jedem Sitz, komfortablem Restaurant und kommunikativem Bistro, Signalknopf für das Zugpersonal, Video und Audio und sonstigen modernen Kommunikationstechniken, kostet eine Fahrkarte, die jetzt 144 Mark kostet, damit 19 Mark mehr und in der ersten Klasse 27 Mark mehr.

Der Zug fährt aber wieder weg und kommt erst 1993 wieder nach Bremen, denn er hält nur in Hamburg oder Hannover, in Stuttgart ist der erlauchte Fahrgast trotzdem zwei Stunden schneller als normal. Und wie sich das nun rechnet, das ist nach diesen herrlichen Märchenstunden letzten Endes auch egal, ob der Zug, der doppelt so schnell wie ein Auto und halb so schnell wie ein Flugzeug, aber halb so komfortabel wie ein Auto oder doppelt so bequem... bear