: Günstiger Vergleich für Harich
Sein ehemaliger Genosse Janka verpflichtet sich, inkriminierte Äußerungen nicht mehr zu verbreiten ■ Aus Berlin Christian Semler
Von den Schwierigkeiten mit der Wahrheit, so der Titel von Walter Jankas Bericht über den Schauprozeß gegen ihn von 1957, wurde der Autor jetzt selbst ereilt. Jankas ehemaliger Genosse, Mitarbeiter im Aufbauverlag, Mitstreiter gegen Ulbricht nach 1956 und Mitangeklagter im damaligen Verfahren, der selbst zu zehn Jahren Haft verurteilte Philosoph Wolfgang Harich, zitierte ihn vor die Schranken des Berliner Landgerichts. Wahrheitswidrig habe Janka in seinem Buch behauptet, er, Harich, habe als Belastungszeuge ausgesagt, daß Janka Harichs Verbindungen zum Ostbüro der SPD „geahnt“ haben müsse. Ein schwerwiegender Vorwurf, denn das Ostbüro galt der SED als Spionage- und Diversionszentrale, jeder Kontakt mit ihm bedeutete mehrere Jahre Knast. Zudem soll Harich in der Haft um Schreibmaschine und Papier gebeten haben, um selbst eine Anklage gegen Janka zu entwerfen. Harich hatte schon vor dem Prozeß geltend gemacht, er habe definitv ausgesagt, daß Janka von seinen Kontakten mit dem Ostbüro keine Kenntnis gehabt und er ihn damit in einem entscheidenden Punkt entlastet habe. Auch die Schreibmaschinen-Episode sei frei erfunden. Schließlich klagte Harich wegen einer Äußerung Jankas innerhalb eines Fernsehinterviews, nach der Harich viele Jahre Agent des KGB gewesen sei. Auch diese Anschuldigung wies Harich zurück.
Der Zivilprozeß hatte zahlreiche Journalisten und sonstige Voyeure angelockt, die sich von einer Konfrontation Janka-Harich eine Fortsetzung des Dramas von 1957 erwarteten. Aber Janka blieb der Verhandlung fern, ließ sich durch einen liebenswürdigen alten Herrn vertreten, der schon 1957 für ihn auf Freispruch plädiert hatte: den Rechtsanwalt Wolff. So blieb Harich, der Protagonist so vieler bitterer Polemiken, mit seinem Zorn allein. Der Vorsitzende der Kammer, Michael Mauck, ließ keine Lust verspüren, den Weltgeist in den überfüllten Verhandlungsraum einziehen zu lassen. Mit dem Pragmatismus eines gewieften Zivilrechtlers drängte er die Parteien zum Ausgleich. Jankas Anwalt, sekundiert vom Rechtsvertreter Rowohlts, dessen vordringliche Sorge es war, die Restauflage von Jankas Buch vorm Einstampfen zu bewahren, griff sofort zu. Sein Mandant verpflichtete sich, die inkriminierten Äußerungen künftig zu unterlassen bzw. nicht zu verbreiten. Rechtsanwalt Wolff ließ freilich nicht erkennen, daß sein Mandant von seinen Behauptungen innerlich abgerückt sei. Aber das war auch nicht verfahrensnotwendig. Schwerer tat sich Harich mit dem Angebot. Er haderte mit Wolff, weil der ihn als einzigen Belastungszeugen gegen Janka qualifiziert hatte, verwies auf das neue Buch Jankas, in dem er als von der „Sicherheit“ dirigiert dargestellt werde, und stellte eine erneute Klage in Aussicht. Seinem Rechtsanwalt Klaus Eschen gelang es schließlich, den offensichtlich tief Verletzten zur Annahme des Kompromisses zu bewegen. Einigkeit über die Kostenfrage wurde nicht erzielt, so daß im Rahmen des Kostenentscheids die ganze Affäre nochmals behandelt werden muß.
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