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Kultur gegen Steine

■ Ein SPOTT-Vorstoß zu einer »Kinder- und Jugendkulturstiftung«

Die Freie Kinder- und Jugendkulturarbeit in Berlin geht stiften. In der durch die Vereinigung angespannten Finanzlage der Stadt droht vielen Freien Gruppen des Westens und den teilweise gerade entstandenen Initiaven im Osten das Aus. Um dem entgegenzuwirken, hat das bürokratieerfahrene Selbsthilfeprojekt von OFF-Theatern und Theatergruppen, SPOTT e.V., einen Vorschlag zur Gründung einer Kinder- und Jugendtheaterstiftung entwickelt, der im Rahmen des derzeit stattfindenden 1. Deutschen Kinder- und Jugendtheatertreffens am Dienstag abend mit Vertretern aller Parteien im Theater der Freundschaft diskutiert wurde.

Mit der Stiftung soll die bisherige Förderung der Freien Theater über verschiedene Verwaltungen — Theater der Schulen, Theatergutscheine, Projektförderung — zusammengefaßt, Verwaltungskosten gesenkt und auf einen verwaltungsunabhängigen Träger überführt werden. Um das Projekt den Politikern schmackhaft zu machen, entblöden sich die SPOTTler nicht, Kinder- und Jugendkulturarbeit staatlicher Sozialarbeit unterzuordnen. So wird in der Stiftungskonzeption der »Rahmenplan für ein Gesamtkonzept Jugendarbeit« des Abgeordnetenhauses mit seinen Eckpunkten »Stategien gegen zunehmende Gewaltbereitschaft und Extremismus« ausdrücklich weitergeführt: »Als in der Kinder- und Jugendkulturarbeit Tätige begrüßen wir diese Aufforderung und erklären uns bereit, unseren Sachverstand und unser Engagement in die Arbeit an einem solchen Gesamtkonzept einzubringen.« Was hier bereits anklingt, brachte eine Diskussionsteilnehmerin im Theater der Freundschaft auf die griffige Formel: »Wenn wir Kultur machen, schmeißen die Kids keine Steine!« — Kultur als politischer Erfüllungsgehilfe.

Um die laufenden Ausgaben der Stiftung vom Finanzstreit der Politiker unabhängig zu machen, will man zum einen auf Lottomittel und Gelder aus dem »Vermögen der früheren SED« (welche?) zurückgreifen, zum andern haben sich die Stifter etwas Pfiffiges ausgedacht: Sie führen das Verursacherprinzip in die Diskussion ein und verlangen die Vergnügungssteuern, die der Senat bei den Spielautomaten abzockt, für ihre Stiftung. Dazu wollen sie zum Beispiel beim Videoverleih einen Horrorgroschen (Kinderkulturgroschen) abkassieren und spekulieren so auf einen Jahresetat um die 40 Millionen Mark. Würden, so läßt sich daraus folgern, einige Theaterräume in Spielhallen oder Videotheken umgewandelt, könnte man diesen Ertrag noch steigern.

Da waren die Jugend- und Kulturpolitiker auf dem Podium schon etwas weiter, wenn sie vor einer zu starken Anbindung der Kulturarbeit an politische Aufgaben warnten. Allerdings waren sich alle Parteienvertreter einig, den SPOTT-Vorschlag als eine Form der Umstrukturierung und Ausweitung der Finanzierung zu diskutieren und in dieser oder ähnlicher Form — von einer landeseigenen GmbH war die Rede — in einer Koalition aller Parteien durchzusetzen. Lediglich der kulturpolitische Sprecher der CDU-Fraktion Uwe Lehmann-Brauns, durchbrach den Podiums- und Publikumskonsens. Die genannten Aufgaben der Stiftung seien Staatsziele, weswegen eine Stiftung unnötig sei. Ausgerechnet der Befürworter einer »autonomen« Kulturarbeit stritt gegen ihre autonome Finanzierung. Er will Gelder aus dem Sozialetat in den Kulturetat umleiten. Peter Huth

Interessenten wenden sich an das Büro für Freies Theater, Planufer 92d, 1000 Berlin 61, Tel.: 6912866.

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