: Glücklich, wenn's klappt
■ Das dritte Femme-Totale-Filmfestival in Dortmund
Femme Totale“ startete 1987 das erste Festival zum Thema „Macht und Gewalt in Filmen von Frauen“, 1989 das zweite mit dem Arbeitsschwerpunkt „Filme sowjetischer Frauen“. Das diesjährige Programm, „Maschinenstürmerinnen“, bot neben Seminaren, Workshops, Diskussionen und Performances rund 100 Filme sowie 60 Videos aus ganz Europa, der UdSSR, den USA, Kanada, Australien und Indien.
Die Pole des Festivals lassen sich vielleicht am besten mit Laurie Anderson und Elisabeth Wilms markieren, der Performerin und der Bäckersfrau aus Dortmund. Andersons Homme of the brave ist ein Mitschnitt ihrer High-Tech-Opern und elektronischen Stand-up-Comedies; Elisabeth Wilms' Dortmund — November 1947. Eine Stadt in Schutt und Asche zeigt den dokumentarische Wiederaufbau einer zerstörten Industriestadt.
Unter der Festivalperspektive Technik und neue Technologie wurden Filme zu den Themen Medizin/ Gentechnologie, Kriegstechnologie und Ökologie ebenso versammelt wie Musikvideos, Experimentalfilme oder Filme mit Spezialeffekten wie der historische Scherenschnittfilm Die Abenteuer des Prinzen Achmed von Lotte Reiniger. Die Verwirrung hat Methode, den Schlüssel liefert das Konzept: Filme über Technologie und Filme mit besonderer Technik.
Nun mögen die schlesischen Weber und ihr Sturm auf die mechanischen Webstühle dem Festival zwar Pate gestanden haben, Vorbild waren sie jedoch nicht. Denn ein Sturm von Frauen gegen Technik oder Technologie ist weder historisch verbürgt noch ist die Auseinandersetzung von Frauen mit dieser traditionell männlichen Domäne von Aggression geprägt. Im Gegenteil, die Scheu dominiert. In Dortmund dominierte sie auch die auf dem Festival gezeigten Dokumentarfilme, speziell die zur Medizin/Gentechnologie. Oder sollte es sich bei dem zögerlichen Technikeinsatz schlicht um mangelnde handwerkliche Fähigkeiten handeln? To hurt and to heal der Kanadierin Laura Sky zum Beispiel zeigt ein Interview mit den Eltern eines in der 27. Schwangerschaftswoche geborenen Kindes. Die Eltern erzählen von ihren Erfahrungen mit der entmenschlichten High-Tech- Medizin auf der Frühgeburtenstation. In dem 45minütigen Film gibt es ganze zwei Kameraeinstellungen. Die erste zeigt das Porträt der Mutter, die zweite das Porträt des Vaters.
Offenbar war die Auswahl von Thematik, Informationsgehalt und „Betroffenheit“ diktiert. So verwandelt sich spätestens nach dem fünften Film mit der immer gleichen Kuh aus dem dokumentarischen Bildarchiv Entsetzen über die künstliche Besamung als zukünftiges Zeugungsmodell für die Humanmedizin in Entsetzen über die stereotype Phantasielosigkeit der Regisseurinnen.
Die 71jährige Lucie Berndsen, Teilnehmerin an dem Festival-Forum „Frauen in Filmproduktionen“, formuliert ihre in 35 Berufsjahren als Regieassistentin gesammelte Erfahrung so: „Es gibt für mich zwei Kategorien von Regisseuren. Die wirklichen, phantasievollen, szenischen Regisseure; die andere Kategorie sind die Regisseure, die glücklich sind, wenn's klappt.“ Uta Rotermund
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