Pandemiegeschehen 2021: Ja zur Impfpflicht

Warum eine Covid-Impfpflicht aus gesundheitlichen, ökonomischen und demokratischen Gründen geboten ist.

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Von UDO KNAPP

Die Universität Erfurt hat in der vergangenen Woche eine Sonderstudie COSMO (Covid-19 Snapshot Monitoring) zur Impfbereitschaft gegen Covid-19 in der Bevölkerung veröffentlicht. Laut dieser Studie ist nur noch jeder zweite Bundesbürger „bereit“ oder „eher bereit“ sich impfen zu lassen. Der Anteil der Befürworter einer staatlichen Impfpflicht ist damit im Zeitraum von April bis November (laut Welt vom 15. Dezember) von 73 auf 37 Prozent gesunken. Als Hauptursache für diesen Rückgang der Impfbereitschaft haben die Wissenschaftler ein wachsendes Misstrauen gegenüber der Wirksamkeit des Impfstoffes, die nach heutigem Wissensstand nicht sicher auszuschließenden Nebenwirkungen, sowie ein Unwissen darüber ausgemacht, ob die Impfung die weitere Übertragung des Virus an Dritte (Sterilisation) ausschließt.

Tatsächlich kann es nach den bisher öffentlich kommunizierten Studien über die Wirksamkeit der Impfstoffe wegen ihrer nur kurzen Laufzeit keine sicheren Aussagen über Langzeitnebenwirkungen geben.

Tatsächlich gibt es zur Sterilisation durch die Impfung bisher keine belastbaren wissenschaftlichen Ergebnisse.

Tatsächlich sicher ist nur bei bis zu 90 Prozent aller in den Studien Geimpften die Vermeidung oder die Abmilderung extrem schlimmer oder tödlicher Verläufe einer Covid-Infektion. Immerhin. 

Impfquote von zwei Dritteln nötig

Für eine die Bevölkerung immunisierende Impfung wird nach den Verlautbarungen von Wissenschaft und Politik eine Impfquote von bis zu zwei Dritteln aller Leute gebraucht. Die Bundesregierung setzt auf die Freiwilligkeit der Covid-Impfung. Bleibt es dabei, kann angesichts der Umfragezahlen nicht davon ausgegangen werden, dass mit der Impfung die fortlaufende Ausbreitung von Covid-19 wirksam und dauerhaft eingedämmt werden kann. Vor dem Hintergrund der täglich steigenden Infektions- und Todeszahlen sowie der mittlerweile valide abgesicherten Feststellung, dass „Covid-19 circa zehnfach tödlicher als die Grippe“ ist, wie der Wiener Virologe Herwig Kollaritsch sagt, ist das eine beunruhigende Perspektive für 2021.

An der offenen Lockdown-Renitenz beim offiziell verbotenen Glühweintrinken vor den geschlossenen Lokalen oder im Gedrängel beim Weihnachtseinkauf zeigt sich, dass diese Bürger sich offenbar für Covid-Unverletzbare halten und sich so an das Leben mit den immer schlimmeren Zahlen gewöhnen. Sie suchen nach kleinen Ausfluchten und behindern zugleich aggressiv die Ordnungskräfte bei ihren Kontrollpflichten.

Zu dieser Renitenz trägt  sicher auch die Corona-Geldklatsche bei - das Versprechen der Bundesregierung möglichst viele, möglichst alle, möglichst umfassend von den wirtschaftlichen Corona-Folgen freizuhalten. Das Versprechen wirkt sedierend, auch wenn die Covid-Euros nicht immer schnell genug zu fließen scheinen, und hie und da die Falschen sich unberechtigterweise bedienen.

Bundes- und Landesregierungen setzen mit ihren von Ausnahmen zersägten Lockdown- Katalogen, mit der Corona-Geldklatsche und dem unkomplizierten Impfversprechen darauf, dass die Pandemie - wie eine unangenehme Wetterlage - schon bald vorüber gezogen sein wird. Viele Bürger folgen dieser Vorstellung nur zu gern. Sichtbar wird das an den überlaufenden Buchungszahlen für die nächsten Frühjahrs- und Sommerurlaube, als ob dann schon alles vorüber sein würde.

So schnell wie möglich durchimpfen

Das Pandemiegeschehen aber schreibt ein anderes Szenario.

Selbst wenn der zweite Lockdown das Infektionsgeschehen entspannen wird, selbst wenn im Januar mit dem freiwilligen Impfen begonnen wird, ist es ausgeschlossen, dass im Laufe des ganzen Jahres 2021 zwei Drittel aller Bürger zu freiwilligem Impfen bewegt werden können.

Bereits jetzt wird in allen einschlägigen Erörterungen des möglichen Pandemie-Geschehens von weiteren Lockdowns im Lauf von 2021 gesprochen. Zugleich wird immer wieder vorgetragen, dass mit Argumenten und verbesserter Kommunikation die Impfbereitschaft der Bürger ausreichend erhöht werden könne. Diese Erwartung geht von einer lebendigen, eng verflochtenen Verantwortungsgesellschaft in der Bundesrepublik aus, die es im Alltagsleben aber gar nicht gibt. Stattdessen erodiert die Führungskraft der Regierung sichtbar, weil die Regierenden die repräsentative Herrschaft, für die sie ins Amt gewählt worden, in der Pandemiefrage nicht konsequent ausüben.

Es bleibt nur eines: Angesichts zunehmender Todeszahlen, der Überlastung des Gesundheitswesen, der Tatsache, dass nicht weiter unbegrenzt öffentliche Mittel zur ökonomischen Schadensbegrenzung zur Verfügung stehen, angesichts des Zusammenbruchs des ordentlichen Bildungsbetriebes auf allen Ebenen, muss so schnell als möglich durchgeimpft werden, damit die Handlungshoheit der Politik und der Bürger in einem freien öffentlichen Leben jenseits der Pandemie zurück gewonnen werden kann.

Eine Impfverweigerung trägt zum Zusammenbruch gesellschaftlicher Strukturen bei

Das Instrument dazu ist eine Impfpflicht mit den Corona-Impfstoffen. Eine solche Impfpflicht ist ein empfindlicher Eingriff in die verfassungsrechtlich garantierte, individuelle körperliche Unversehrtheit jedes Einzelnen, keine Frage. Umgekehrt aber gefährdet die Impfverweigerung das Leben vieler anderer. Sie trägt aktiv zum Zusammenbruch gesellschaftlicher Strukturen bei.

Wenn die Risiken der Impfstoffe, wissenschaftlich abgesichert, weitgehend begrenzt werden können, dann ist jeder einzelne in der Pflicht, für alle anderen und mit allen anderen dieses Risiko über eine Impfpflicht zu teilen. Eine solche Bürger-Covid-Impfpflicht bräuchte nicht mit der Polizei oder mit Bußgeldern durchgesetzt zu werden. Ein amtlicher Impfpass, ohne den jeder Zugang zu allen öffentlichen Dienstleistungen verweigert werden könnte, würde sehr schnell Wirkung zeigen.

Ein bürgerlicher Rechtsstaat in einer repräsentativen Demokratie ist kein interessengequältes alternatives Wohnprojekt, in dem jeder nur seine, meist auch noch ideologisch aufgeladenen Privat- oder Teilinteressen durchzusetzen sucht, koste es für alle anderen, was es wolle. Aus der freiheitlichen Bunderepublik wird mit einer Bürger-Covid-Impfpflicht keine China-ähnliche Diktatur. Im Gegenteil: Eine demokratisch legitimierte Impfpflicht könnte die Handlungsmacht demokratischer Herrschaft in der Bundesrepublik nachdrücklich stärken.

Schöne Weihnachten.

UDO KNAPP ist Politologe und Publizist. In der neuen FEHLER-Ausgabe von taz FUTURZWEI untersucht er, warum es in der Politik kein funktionierendes Fehlerwarnsystem gibt.

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