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Sinti-Frau kämpft um Rente

Ersatzzeit für Rente wegen Verfolgung durch Nazis wird nicht anerkannt  ■ Von Eva von Hase-Mihalik

Frankfurt (taz) — Vor dem Sozialgericht in Frankfurt beginnt am Montag der Prozeß einer Sintiza gegen die Landesversicherungsanstalt Hessen. Diese will Frau W., die während des Nationalsozialismus vefolgt wurde, bestimmte Ersatzzeiten für die Rente nicht anerkennen. Frau W. war noch keine siebzehn Jahre alt, als die Nationalsozialisten sie im Mai 1940 zusammen mit ihrer Familie nach Polen in das Konzentrationslager Belczik-Krychow deportierten. Als das Lager 1942 aufgelöst wurde, konnte Frau W. untertauchen und lebte illegal in Polen weiter. Im September 1944 schlossen sie und ihre Mutter sich einem Zug von Flüchtlingen und Vertriebenen nach Deutschland an. Frau W. und ihre Mutter fanden in Bayern bei einer Wirtin Unterschlupf, traumatisiert und krank von den Erlebnissen im Lager und der Anonymität. Sie gaben sich nicht als Sinti zu erkennen, das hätte die erneute Deportation bedeutet. Heute nun hat Frau W. Schwierigkeiten bei der Anerkennung der Arbeits- und Ersatzzeiten für ihre Rente. Die Landesversicherungsanstalt Hessen erkennt zwar an, daß Frau W. Verfolgte des nationalsozialistischen Regimes war, und rechnet die Zeit im KZ und in der Illegalität in Polen als Ersatzzeit an. Aber für die Zeit von September 1944 bis 1946, in der Frau W. bereits wieder in Deutschland war, leugnet die Versicherungsanstalt die Verfolgungsgefahr und berücksichtigt auch die durch Krankheit verursachte Arbeitsunfähigkeit nicht. So heißt es im Schreiben der Landesversicherungsanstalt: „Auch eine Anerkennung der geltend gemachten Zeit als Ersatzzeit wegen unverschuldeter Arbeitslosigkeit kommt nicht in Betracht, weil die Widerspruchsführerin nicht vorgebracht hat, daß sie sich in dieser Zeit um Arbeit bemüht hat.“ Was Frau W. passiert wäre, wenn sie sich „um Arbeit bemüht“ hätte, kann sich jeder ausmalen: Der Abtransport in das nächste KZ wäre vorprogrammiert gewesen. Hinzu kommt aber, daß Frau W. in jener Zeit tatsächlich an all den Symptomen von Nervosität und Angstzuständen litt, die das „Lagersyndrom“ ausmachen. Dies wurde in einem ärztlichen Gutachten 1989 festgestellt. Im Schreiben der Landesversicherungsanstalt heißt es aber: „Der Widerspruchsführerin ist es nicht gelungen, glaubhaft zu machen, daß sie in der Zeit von September 1944 bis Dezember 1946 arbeitsunfähig war. Sie kann diesbezüglich auch keine Unterlagen vorlegen.“ Bei dem Gerichtsverfahren geht es dem Landesverband Deutscher Sinti und Roma in Hessen auch darum, daß endlich das volle Ausmaß des Verfolgungsschicksals während des nationalsozialistischen Regimes von Sinti und Roma nachvollzogen wird.

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