Die doppelte Nike

■ »Intervall 91«: Präsentation von Frauenprojekten der HdK im Lichthof der TU

Schon wieder ein Frauenprojekt«, seufzte ich unlustig ob der Ankündigung der Präsentation von 31 Frauenprojekten, die von Studentinnen und Wissenschaftlerinnen an der Hochschule der Künste 1990/91 realisiert wurden. Ermöglicht wurden die Kunst- und Forschungsvorhaben mittels eines Etats von 300.000 DM Frauenfördermitteln, hauptsächlich ausgegeben für Material, kaum für Honorare, ein Etat, den die HdKlerinnen als Trostpflaster für die männliche Dominanz unter den Professoren erhielten. Nehmen zwar die Gründe, gegen den patriarchalen Geist der Institutionen zu opponieren, nicht ab, so begegnet man bei dieser Gelegenheit allzuoft schülerhaften Stereotypen auf der Suche nach weiblichen Identifikationsmustern. Allein, das Personal der Erdmütter, Hexen und Göttinnen wird diesmal nicht ausgegraben. Die einzige Göttin im Lichthof der Ausstellung ist eine Gipskopie der Nike, 1956 anläßlich eines Treffens deutscher und französischer Hochschuldirektoren als Huldigung an den Geist Europas gestiftet. Da paßt es wie die Faust aufs Auge, daß eine Video-Gruppe für ihre Performance über den ambivalenten Umgang mit weiblichen Allegorien gerade die Nike als Objekt der Demontage wählte.

Um das Erlebnis der Selbstbehauptung als Künstlerin, ist sie erst einmal aus den behüteten und lähmenden Räumen der Kunst entwischt, geht es bei Christin Lahr. Ihren Gedankengang vom »Ich gehe — also bin ich« hat sie als konkreten Rundgang durch schwankende Eisentore, über wackelige Bretter und kippelnde Bodenplatten inszeniert. Sabine Hornig, Bettina Hoffmann und Doris Kuwert haben im Oktober 1990 von einer Baustelle auf der Friedrichstraße Besitz genommen und zwischen Betonplatten, Pfützen und Fahrstuhlschächten eine Szenerie von Gefährdung und Absperrung aufgebaut. Ihre Requisiten hängen jetzt im Lichthof: Pfeil und Bogen schwanken, kaum wahrnehmbar zart und doch gefährlich gespannt, zwischen den Säulen, und mit aggressivem Rattern klagt ein auf einer Schreibmaschinenwalze sichtbar werdender Text die Unantastbarkeit der Würde des Menschen ein.

Ihr Unbehagen am kleinsten gemeinsamen Nenner der Frauenförderung und deren Präsentation — erstens das weibliche Geschlecht des Produzenten und zweitens der Bezug zur Kunst — formulierte »Das Projekt« als ironischen Ausstellungsbeitrag. Auf der obersten Galerie präsentierten die kritischen Künstlerinnen ihre »Miss Art«: Jede von ihnen ließ sich mit der gleichen Perücke fotografieren, um so das nivellierende Nebeneinander dieser Ausstellung, mehr noch aber des Kunstbetriebs überhaupt zu karikieren. Ein rundumlaufender Text zweifelt am Mehr- und Nährwert von Kunst im allgemeinen und für Frauen im besonderen: »Was ist ein Konzept und was eine Ausstellungskonzeption?« fragt sich Klara Wallner. Ein Sammelsurium, ein Panoptikum, ein Aquarium, ein Lapidarium, warum?«

Doch während die Ausstellung Intervall 91, von Klara Wallner aufgebaut, selbst noch die Ansätze der Selbstbefragung im Kontext der bildenden Kunst erfolgreich vermittelt, kommt die Darstellung der Forschungsprojekte etwas zu kurz: so wird das Projekt einer Computerdatenbank, mit der Brigitte Walkowiak visuelle und sprachliche Informationen über eine vergessene Designerin des Bauhauses aufbereitet, auf mageren Texttafeln angedeutet. Ebenso spärlich erscheint eine Dokumentationscollage zur »Frauenkultur in der (Ex-)DDR im Übergang«, die mit Fotografien und Requisiten aus dem Einkaufsalltag neugierig macht auf eine ästhetische Verarbeitung der Ablösung einer asketischen Waren- Inszenierung gegen Konsumterror. Nur wenige der Frauenprojekte scheinen sich mit einer überflüssigen sprachlichen Bepackung banaler Bilder so abgeplagt zu haben wie die Arbeitsgruppe »Artefaktischer Imperativ«, die die Auswertung der Frauentypen von 45 Sendungen Schwarzwaldklinik mit »Konfigurationsszenarien« markiert: Ihre »Wissenschafts«-Sprache erfordert ein eigenes Studium, während ihre Erkenntnisse nicht wesentlich von denen des Durchschnittszuschauers abweichen.

Studentinnen des Fachbereichs für visuelle Kommunikation, die sich oft genug mit den frauenfeindlichen Konnotationen der Warenwerbung herumzuschlagen haben, griffen das Thema sexueller Mißbrauch an Kindern für eine Aufklärungskampagne auf, die am 2. Mai um 19 Uhr im TU- Hauptgebäude (Raum 2035) vorgestellt werden soll. Ob ihre mit Elementen von Thrill und Voyeurismus spekulierenden Bilder allerdings für eine Kampagne in allen populären Medien taugen, das tabuisierte Thema aus dem Bereich sensationslüsterner und heimlicher Spekulationen zu ziehen, bleibt zweifelhaft. Katrin Bettina Müller

Intervall 91 · Frauenprojekte an der HdK 90, Ausstellung im Lichthof des TU-Hauptgebäudes, Straße des 17. Juni 135, bis 4.Mai.