: Ein harter Knochen aus Mexiko
■ Raúl Alcalá schiebt sich bei der Spanien-Rundfahrt der Radprofis langsam an die Spitze
Berlin (taz) — José Miguel Echávarri, Direktor des spanischen Rad- Teams Banesto, in dem unter anderen Pedro Delgado und Miguel Induráin ihrem anstrengenen Hand-, Fuß- und Gesäßwerk nachgehen, hatte seinen Favoriten für die diesjährige „Vuelta Ciclista a Espana“, die Spanien-Rundfahrt der Radprofis (29.4. bis 19.5.), schon früh ausgemacht. „Der Knochen könnte diesmal Alcalá sein“, sprach der alte Pedalfuchs nach der dritten Etappe, „die übrigen könnten sich in Feuerwerk auflösen.“
Bevor heute mit dem Aufstieg in die Pyrenäen die Woche der Wahrheit in der diesjährigen Vuelta beginnt, scheint der Mexikaner, der bei der Tour de France der beiden letzten Jahre jeweils den achten Platz belegt hatte, gewillt zu sein, den Worten Echávarris eigene Taten Folgen zu lassen. Beim Einzelzeitfahren von Cala d'Or auf Mallorca über 47 Kilometer brach Alcala, der für PDM fährt, in die Phalanx der bislang führenden ONCE-Fahrer ein, schob sich auf den zweiten Platz des Gesamtklassements und rückte bis auf 1:14 Minuten an den führenden Melchor Mauri heran. Eine glänzende Ausgangsposition für die schweren Etappen über die Pyrenäen und die asturischen Gipfel, die den Fahrern in der kommenden Woche fünf Bergankünfte bescheren werden, darunter morgen den Anstieg von Andorra aus zum 1.950 Meter hohen Pla de Beret und am Sonntag die gefürchtete Etappe von Ezcaray zur Estación de Valdezcaray, bei der auf 24 Kilometern 1.200 Höhenmeter zu überwinden sind.
Der führende Mauri dürfte dann bereits weit zurückgefallen sein — er gilt als schlechter Kletterer — es schlägt die Stunde der zahlreichen Favoriten dieser Vuelta. In Abwesenheit von Pedro Delgado, der in diesem Jahr wie viele der großen Figuren den Giro d'Italia der Spanien- Rundfahrt vorzieht, weil er glaubt, sich so besser auf die Tour de France vorbereiten zu können, rechneten sich vor Beginn etliche Fahrer Chancen aus. Allen voran Delgados langjähriger Kronprinz Induráin, Alcalá natürlich, aber auch die Spanier Anselmo Fuerto, Marino Lejarreta, Laudelino Cubino, Pello Ruiz Cabestany, Federico Etxabe, sowie der Kolumbianer Fabio Parra, der Niederländer Steven Rooks und der Italiener Marco Giovannetti, Sensationssieger des Vorjahres.
Die meisten von ihnen wurden jedoch gleich zu Anfang böse überrascht, als das ONCE-Team am zweiten Tag ein Mannschaftszeitfahren hinlegte, wie es die Vuelta noch nicht gesehen hatte. Die Fahrer um Fuerte und Lejarreta nahmen Alcalas PDM-Team, für das auch der Leipziger Uwe Raab, der die fünfte Etappe gewann, im Sattel sitzt, fast eine Minute ab, Induráins Banesto beinahe zwei Minuten, Cubino und Parra fielen sogar noch weiter zurück.
Erst die 8. Etappe, das Zeitfahren von Cala d'Or, wirbelte das Gesamtklassement dann erneut durcheinander. Während Fuerte und Lejarreta zurückfielen, pirschten sich vor allem Alcalá und Induráin nach vorn, wobei der Spanier noch fast zwei Minuten Rückstand auf den Mexikaner hat, eine Differenz, die äußerst schwer aufzuholen sein wird.
Induráin hat seit jeher Schwierigkeiten mit der Vuelta. Der Druck, der gerade in Spanien auf ihm lastet, störe ihn dabei überhaupt nicht, lügt er wie gedruckt, dafür aber das oft kühle Wetter und die spezielle „Form, wie dieses Rennen gefahren wird, ein amateurhafter Ablauf, mit konstanten Attacken von Anfang bis Ende, was meinen Charakteristika nicht sehr entgegenkommt“. Insgesamt konstatierte Induráin nach der ersten Woche eine große Nervosität im Feld: „Der schlechte Zustand mancher Straßen, die erhöhte Teilnehmerzahl, der Wind und die Stürze komplizieren unsere Existenz.“
„Ich will Mallorca im „Gelben Trikot“ und mit genügend Vorsprung verlassen, um mich in den Bergen nicht allzusehr sorgen zu müssen“, hatte sich Induráin vorgenommen. Daraus wurde nichts. Jede Menge Sorgen also für Miguel Induráin. Denn wie José Miguel Echávarri schon erkannte: Raúl Alcalá ist ein harter Knochen. Matti
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen