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Saarländer: We can't get no satisfaction

■ 'Neue Revue‘ stellte in Ost-Berlin „größte Sexumfrage aller Zeiten“ vor: Die treuesten Liebhaber wohnen in Hessen, die lichtscheuesten in Leipzig, und die Berlinerinnen liegen am liebsten oben

Berlin (taz) — Propper und adrett wie ein lebendig gewordenes Duschgel sah sie wieder aus, Frau Erika Berger. Diesmal saß die berühmte Sexberaterin allerdings nicht auf einem RTL-Sofa, sondern im schicken Ostberliner Grand Hotel, um die angeblich „größte Sexumfrage aller Zeiten“ vorzustellen. So jedenfalls betitelte auch der glattgesichtige Prof. Werner Habermehl vom Sexologischen Institut Hamburg die Untersuchung, bei der 40.358 KonsumentInnen der 'Neuen Revue‘ und von RTL plus einen dreiseitigen Fragebogen ausgefüllt zurückgeschickt hatten. Eines der Ergebnisse: Im Sexualleben sind die Differenzen zwischen Ossis und Wessis geringer als die zwischen Frauen und Männern oder zwischen Niedersachsen und Bayern. Insgesamt finden 68 Prozent der Ostfrauen und 69 Prozent der Westfrauen, 68 Prozent der Ostmänner und allerdings nur 57 Prozent der Westmänner ihr Liebesleben „befriedigend“. Regional gesehen ergeben sich hier allerdings gewaltige Differenzen: Mit einer Befriedigungsrate von 73 Prozent scheinen die Niedersachsen die glücklichsten Lover zu sein, während im Saarland mit 41 Prozent die Unbefriedigten bundesweit Spitze sind, gefolgt von den Bayern (39 Prozent) und den NRWlern (38). Ob das mit geographisch unterschiedlichen Vorlieben zu tun hat? Obwohl die Missionarsstellung mega-out ist — 64 Prozent der Frauen und 84 Prozent der Männer mögen es lieber, wenn sie auf ihm reitet —, liegen die saarländischen Männer mehr als alle anderen immer noch oben. Allerdings sind dort mit 49 Prozent der Befragten auch mehr Frauen und Männer als woanders schon „öfter als einmal“ fremdgegangen. Weitere Kuriosa: Die treuesten Menschen wohnen in Hessen, 48 Prozent sind „noch nie fremdgegangen“. Die niedrigste Koitusrate haben die Bayern, bei 8 Prozent von ihnen liegt sie bei null. Die lichtscheuesten Liebhaber leben in Leipzig: 10 Prozent schlafen nur im Dunkeln zusammen. Andere Zahlen illustrieren die der gestiegenen weiblichen Lust. Nur noch 12 Prozent der Frauen gaben an, fast nie oder nie einen Orgasmus zu haben, während es im Jahre 1978 noch 30 Prozent waren. Angestiegen ist aber auch die Anzahl der Orgasmen, die eine Frau für das Gefühl sexueller Befriedigung braucht: der Durchschnitt liegt nun knapp unter zwei. „Das sind Zahlen, wo sich Männer sicherlich maßlos überfordert fühlen“, kommentierte Sexologe Habermehl freimütig. Ein weiteres Problem sieht er in der weiblichen Vorliebe für Sex vor dem Einschlafen, während die Männer lieber morgens lieben: „Männliche Potenzprobleme verdichten sich, vor allem mit steigendem Alter, in den Abendstunden, auch weil ja doch ein Teil von uns dem Alkohol zuneigt. Morgens aber gibt es keine Erektionsprobleme, ganz im Gegenteil.“ Wer nun die Zahlen auf die Goldwaage legt, ist selber schuld. Zum einen sind 'Neue Revue‘-Leser gewiß nicht repräsentativ, was man schon an ihrer schnöden eindimensionalen Hetero-Ausrichtung sieht, zum zweiten beantwortet nur eine Positiv-Auslese von weniger Verklemmten solche Fragen, und zum dritten lügen auch diese sicher noch wie gedruckt. Ute Scheub

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