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Gymnasien „in Frieden“ lassen

■ Grüne Mitglieder verabschiedeten Wahlprogramm / Neue KandidatInnen

Die „Hoffnung auf eine heile Welt und auf ein neues Lebensgefühl“ hätten die Grünen früher mobilisiert, meinte Peter Willers, einer der Mitbegründer der Bremer Partei, auf der Mitgliederversammlung der Öko-Partei im Waldau-Theater. Heute, stellte er resigniert fest, verzichteten sie auf eine Utopie, das 40seitige Wahlprogramm sei ein „Expertenpapier“ und mit der dort formulierten ökologisch orientierten Technologiepolitik seien die Grünen auch bei den linken Sozialdemokraten mehrheitsfähig. Er, Peter Willers, sei „sehr entäuscht“ von dieser Partei, Änderungsanträge stelle er nicht mehr.

So deutlich wollten die Grünen selbst ihre politische Erneuerung nicht benennen. Die Abgeordnete Helga Trüpel nahm den Ball, den Willers gespielt hatte, aber auf: Das Paradies sei eben nicht von dieser Welt, konterte sie. Grüne Politik könne nicht mehr, als die Bürger zu Selbsttätigkeit und Beteiligung in unvollkommenen Verhältnissen zu ermutigen.

Ralf Fücks, Koordinator der grünen Programmarbeit und vor vielen Jahren einmal Referent des damaligen Abgeordneten Willers, bestand auf der Verschränkung von grünen Utopien und der praktischen Einflußnahme, die es ohne „schmutzige Hände“ nicht geben könne. Mit wenigen Änderungen passierte der Entwurf mit seiner Handschrift (vgl. taz 24.4.) die Versammlung.

Aufgenommen wurden mehrere grüne Forderungen zur Frauenpolitik. Anfragen gab es in der Sozialpolitik, wo in den „14 grünen Punkten“ die Erhöhung des Sozialhilfe-Regelsatzes auf 520 Mark und die „Bremer Karte“ zum halben Preis versprochen werden. Kostet ca. 30 Millionen, rechnete der grüne Sozialpolitiker Detlev Busche vor. Der Antrag, dem Programm Finanzierungsvorschläge anzufügen, war vorher abgelehnt worden.

Als wäre es darum gegangen, das Vorurteil von der „Lehrerpartei“ zu nähren, gerieten sich die Mitglieder am Punkt Schulpolitik in die Haare. Mit einer „Bestandsgarantie für die Gymnasien“ wollte der Programmentwurf einen langen Streit beenden, um sich dann auf das Modell „integrierte Stadtteilschule“ zu konzentrieren. Die Lehrerrolle soll durch soziokulturelle Angebote relativiert und „die Mauern zwischen Schule und Leben durchlässiger“ werden. Der ehemalige Schwachhauser Beirat und Lehrer Karl Küpper empfahl den Grünen, zu einer Vielfalt der Schulformen zu stehen — zwei seiner Kinder seien sogar auf der Privatschule St. Johann. Helga Trüpel warnte vor dem Hochmut, die Grünen wüßten wieder mal das richtige Schulmodell. Die „freie Schulwahl in einer vielfältigen Schullandschaft“ wollen aber nur 13 Mitglieder im Wahlprogramm haben, 25 setzten auf die Formel, verbliebene Gymnasien sollten „in Frieden gelassen“ werden.

Am Sonntag wird der grüne Sitzungs-Marathon mit der Wahl der Bürgerschaftsliste weitergehen. Neu zur Kandidatur (vgl. taz 2.5.) bekannten sich der Sozialarbeiter Werner Knappe, der Weser-Kurier-Betriebsrat Herbert Kuhn, Ralf Krnavek (Kreisverband Ost) und Lutz Nöh-Sassen. Die Kandidatin Ulrike Buchner (ÖTV), die sich in der Programmdebatte für die Erweiterung der Personalvertretungsrechte im Öffentlichen Dienst ausgesprochen hatte, will auf einen „mittleren Platz“ der Liste, aber nicht gegen Karoline Linnert antreten. „Zwei linke Sozialpolitikerinnen“ sollten nicht gegeneinander konkurrieren, meinte sie. Die Kandidatur Buchners ist grünen-intern umstritten, da sie noch 1983 als DKP-Mitglied in einem „Betrieblich-Alternativen Bündnis“ gegen die Grünen in den Wahlkampf gezogen war. K.W.

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