: Mazowiecki-Bündnis wird zur Partei
Die Vereinigung ließ die Hauptstreitpunkte — Abtreibung und Verhältnis zur Kirche — ohne Klärung ■ Aus Warschau Klaus Bachmann
In Warschau haben sich am Samstagabend drei politische Grupppierungen, die Polens Ex-Premier Mazowiecki nahestehen, zu einer gemeinsamen Partei, der „Demokratischen Union“ vereinigt. Trotz der Tatsache, daß die Einigung ohne Gegenstimmen beschlossen wurde, ging es dabei nicht ohne Auseinandersetzungen ab — vor der Vereinigung hatten circa 20 Mitglieder des „Forums der Demokratischen Rechten“ aus Protest die Sammlung verlassen. Für ihren Geschmack war den „Linken“, das heißt den sozialdemokratisch und laizistisch eingestellten Kräften zu viel Platz eingeräumt worden. Das Forum ist eines jener Gruppierungen, die bereits im Präsidentschaftswahlkampf die Kandidatur von Tadeusz Mazowiecki unterstützt hatten. Kopf des Forum ist Mazowieckis Ex-Minister Aleksander Hall.
Mit dem Forum vereinigt haben sich die Demokratische Union, jene mit Jacek Kuron und Professor Geremek verbundene Fraktion, die erst vor kurzem aus dem Parlamentarischen Bürgerklub OKP, dem parlamentarischen Arm von Solidarnosc für die Wahlen von 1989, ausgetreten war. Dazu kommt noch ROAD, die „Bürgerbewegung Demokratische Alternative“, die ursprünglich von den ehemaligen Führern der illegalisierten Solidarnosc, Zbigniew Bujak und Wladyslaw Frasyniuk, gegründet worden war. Bujak hat ROAD inzwischen verlassen und eine eigene, sozialdemokratische Gruppierung gegründet, die bereits Kontakte mit der Gruppe „Solidarnosc Prace“ (Tendenz sozialdemokratisch und selbstverwalterisch) und den Sozialisten der „PPS“ des Schriftstellers Jan Jozef Lipski aufgenommen hat. Frasyniuk indessen bildet den linken Flügel der Demokratischen Union.
Nach eigenen Angaben hat die neue Partei 15.000 eingeschriebene Mitglieder. Es wurde vereinbart, daß die Gründungsparteien in der Gesamtpartei ihre Identität wahren und Fraktionen bilden können. Die Demokratische Union versteht sich als christlich-liberal, womit wenig mehr ausgesagt ist als der Anspruch auf die Besetzung der politischen Mitte. Den Streit um links und rechts versuchte Tadeusz Mazowiecki, alter und neuer Vorsitzender der Union, bereits von Anfang an ebenso zu unterbinden wie einen Streit um das Verhältnis zu Kirche und Abtreibung. Kurz vor dem Vereinigungsparteitag hatte Jacek Kuron, wie aus dessen Umgebung erklärt wurde, „Flagge gezeigt“. Sein Vorschlag, über die Verschärfung der Abtreibungsgesetzgebung ein Referendum auszuschreiben, war nicht nur von zahlreichen katholischen Gruppierungen, sondern auch vom Episkopat der katholischen Kirche in einer Erklärung scharf zurückgewiesen worden. Das „Forum der Demokratischen Rechten“ hatte sich ebenfalls distanziert. Mazowiecki rief deshalb in seiner Eröffnungsrede dazu auf, „diese Frage nicht als Partei zu entscheiden, weil das nur zu einer tiefen Spaltung führen würde.“ Im Entwurf des Parteiprogramms hatte man die Frage daher ausgelassen. Trotzdem war die ganze Versammlung vom Streit über diese Frage geprägt. Frasyniuk zeigte Flagge für das Referendum, Aleksander Hall und Michal Wojtczak von der Führung des Forum erklärten kompromißlos, ein Bündnis mit irgendwelchen Befürwortern der Volksabstimmung über die Abtreibung, selbst wenn sie aus der Führung der neuen Partei kämen, käme für sie nicht in Frage. Frasyniuk selbst gab seinen Eindruck außerhalb des Saals wieder: „Das Bündnis mit dem Forum ist ein Mißverständnis.“ Früher oder später, so war von vielen zu hören, würde Halls Gruppe ohnehin die Union verlassen. Weitere Spaltungen innerhalb der Demokratischen Union erscheinen vielen Beobachtern als unvermeidlich, widersprechen sich die einzelnen Fraktionen doch in Grundsatzfragen wie etwa der Gestalt einer neuen Verfassung oder der Rolle der Kirche im polnischen Staat. Offengelassen und damit Gegenstand von Auseinandersetzungen blieb auch das Verhältnis zur gegenwärtigen Regierung Bielecki, in der zwar keine der zur Union vereinigten Gruppen vertreten ist, die aber im wesentlichen die Wirtschafts- und Außenpolitik der Regierung Mazowiecki fortführt. Organisatorisch wie propagandistisch war der Vereinigungsparteitag nicht dazu angetan, den Vorsprung des Hauptrivalen, der „Zentrumskoalition“, zu verringern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen