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ZWISCHENFUNKUNDTRASH  ■  MORDRED

Als Jingo De Lunch hierzulande mit Erfolgen in die Höhe gewirbelt wurden, war bereits abzusehen, wie und wo im Crossover die Grenzen offen und wenig später dann endgültig geschlossen waren. Wer im »Tip« die Kleinanzeigen der Rubrik »Musik« überfliegt, wird sich des Eindrucks nicht erwehren können, all die heimwerkelnden Workshop- und Notistendaddler hätten den smarten New Wawe- Look mit langer Grebo- und Dreadmähne vertauscht, und griffen nun die 90er Jahre gewohnt akademisch mit Hardcore und Metalltönen an. Rhythmen zwischen Funk und Trash, Jazzbreaks, Hippiefantasygitarrenintros und psychedelisches Flächengesäge; dazu Texte über Gott, die Welt und das Ozon-Loch.

Was alle gleich macht, erübrigt Kritik. Nur eine kleine Nische ist von den allgegenwärtigen Verallgemeinerern und Breittretern übersehen worden: Pop als Image, Wert und Aussage im rauhen Rock. Wie keine andere Band, also bisher noch unnachgeahmt zeigen Mordred aus San Francisco, wie Körper und Geist, Metall und Pop harmonisieren. Ab und an müssen sie sich aber Vergleiche mit Faith No More und den Red Hot Chilli Peppers gefallen lassen: »Sie verstehen es, den Funk der Chilli Peppers aufzunehmen, ihn bis zum Trash hinauf zu härten und dabei das Experimentelle von Voivod beizubehalten«, so Trish Jaega in »Kerrang!«. Das muß an vorgeschossenen Lorbeeren genügen.

Fließend, voller Witz, unprätentiös und eben geistreich präsentieren sich Mordred als definitive Metallfunker. Da scratcht ein DJ mit unbarmherzigen Drive und Schärfe James Brown-Mixe in die geradeaus dahingezimmerten Skatebretter, da schrauben sich zwei Gitarristen in die Gefilde alter Helden, wer will, hört Hendrix heraus, oder den alten Stoiker Iommy, oder Meister Blackmore oder sich selbst. Und während all dies tobt, verliert sich der Sänger in exzentrischen Gospelklagen über den CIA, der LSD ins Trinkwasser geschüttet hat, was aber gar nicht so schlimm ist, denn hoplla »illusions never fade« (»High Potency«).

Sieht man Sänger Scott Holderby auf der Bühne von Kopf bis Fuß in blaue Farbe getaucht herumhüpfen, scheint der Hippiewahnsinn denn auch nicht mehr allzu fern. Doch weit gefehlt und hereingefallen, es sind eben Pop-Images, mit denen hier gespielt wird. Jeder Witz bleibt doppeldeutig wie die Droge selbst, man muß schon damit umgehen können, wie ein Sprichwort den Kiffer warnt. Jede musikalische Entgleisung, zu denen vor allem geslappte Funkbässe zählen, hebt sich in wahrer Größe auf. »Falling Away«, der Song der letzten LP »In This Life« schlechthin, ist dafür das Beispiel der absoluten und einen Verschmelzung: HipHop, Heavy Rock, Hardcore, Hillage-Gitarren und Heulkreisch-Samples und: es funktioniert. Pop. Hingehen. Harald Fricke

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