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Streit um Verfassungsänderung

■ Schäuble: Revisionswünsche der Opposition sind „lyrische Bekundungen“/ PDS und Bündnis 90 haben kein Stimmrecht/ Rupert Scholz vermutlich künftiger Kommissionsvorsitzender

Berlin (ap/taz) — Bei der ersten Bundestagsdebatte zu den anstehenden Grundgesetzänderungen haben Regierung und Opposition am Dienstag abend im Berliner Reichstag deutlich unterschiedliche Anträge über Reichweite und Verfahren eingebracht. Die Regierungskoalition plädiert für einen 32köpfigen Verfassungsausschuß aus Bundestag und Bundesrat und will sich auf Detailänderungen beschränken. Demgegenüber verlangt die SPD eine Revison des Grundgesetzes sowie Beratungen in einem Verfassungsrat mit 120 Mitgliedern. Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Herta Däubler-Gmelin betonte, die Sozialdemokraten machten den von der Koalition angestrebten „Mini- Verfassungsausschuß“ nicht mit. Notwendig sei eine ernsthafte, öffentliche und breit angelegte Auseinandersetzung. Das Grundgesetz habe sich bewährt, sei aber als Verfassung des „Provisoriums Bundesrepublik Deutschland“ gedacht gewesen, das bis zum Tage der Herstellung der deutschen Einheit gelten sollte. Als notwendige neue Verfassungselemente nannte Däubler- Gmelin unter anderem die Staatsziele Recht auf Arbeit und Wohnung, Umweltschutz sowie die Einführung von Volksinitiative, -begehren und -entscheid. Auch gehöre ein Verzicht auf ABC-Waffen und Rüstungsexporte ins Grundgesetz. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Thierse erklärte, mit dem Beitritt zum Grundgesetz hätten die Ostdeutschen nicht ihren Anspruch aufgegeben, ihre eigenen Erfahrungen und Wünsche in eine neue Verfassung einzubringen. Erbittert zeigte sich der Bürgerrechtler Ullmann über den Koalitionsvorschlag, bei dem das Bündnis 90 keinen stimmberechtigten Vertreter in die Verfassungskommission entsenden könnte. Bundesinnenminister Schäuble betonte, das Grundgesetz sei die Verfassung des vereinten Deutschlands und müsse dazu nicht erst entwickelt werden. Eine Neuschöpfung werde es mit der Union nicht geben. Die von der SPD vorgeschlagenen zusätzlichen Staatsziele lehnte er mit Ausnahme des Umweltschutzes ab als „lyrische Bekundungen“, die sich im Ernstfall als leere Versprechungen erweisen würden. Für die CDU/ CSU bekräftigte auch der ehemalige Verteidigungsminister Rupert Scholz, der als Kommissionsvorsitzender im Gespräch ist, die kompromißlose Haltung gegenüber den oppositionellen Revisionswünschen.

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