Starckdeutsche Metamorphosen

■ Matthias Koeppel in der Werkbund Galerie

Matthias Koeppel, der prächtig-wüste Maler, dichtet nebenbei. Bei einem Starkbiersaufgelage in den siebziger Jahren, so wird erzählt, habe er sich entschlossen, neben dem Pinsel auch die spitze Feder zu führen und sogenannte »Starckdeutsche« Gedichte zu schreiben; Volksgedichte im Stil alkoholisierter Verzögerung mit Urlautbetonungen über Gott und die Welt. Der damalige Kneipenwirt soll sein erster Verleger gewesen sein.

In der Berliner Werkbundgalerie werden nun zusammen mit ein paar wunderbaren »Starckdeutschgedichten« Koeppels Federzeichnungen zur eigenen Poesie und seine bereits in Buchform veröffentlichten Illustrationen zu Luigi Malerbas Erzählung »Die nachdenklichen Hühner« ausgestellt. Wie die Gedichte, etwa das zur »Giraffe« (Drr Geschlachtztrüb pei Gieraffn pführrt ze gräußßten Katastraphn), sind die kleinen zarten Graphiken entsprechend den starckdeutschen Lautmalereien grob, schrill, ausufernd, brüchig und verzerrt. Verwandlungen von Menschengesichtern zu Tierschnauzen, surreale Pornographien und Fabelwesen bilden die Themen. Eine Metamorphose der Sujets findet statt, die die jeweiligen Physiognomien zu brüllenden Maskeraden umformt und körperliche Charaktereigenschaften an Menschen satirisch böse überspitzt oder absurd-analytisch aufs Korn nimmt: Nasen wachsen dann zu Rüsseln, Zähne lugen hinter Hasenscharten hervor, Brüste erinnern an aufgeblasene Ballons, die zu platzen drohen. In Koeppels »Tierleben in Starckdeutsch« scheinen die Menschenköpfe und -körper zur Kenntlichkeit verwandelt, wenn ihnen gräßliche Dinge entwachsen. Koeppel legt Verstecke und Ängste frei. Ein scharfer Blick, der Tradition hat.

Zugleich mit den Tier-, »Purrno«- oder »Klupappierrullen«-Bildchen sind Koeppels Illustrationen zu Luigi Malerbas Hühner-Erzählungen ein komisch geiler Kommentar auf die Dichtung. »Ein kalabresisches Huhn«, beginnt die Geschichte, »beschloß Mafioso zu werden.« Dazu entsteht Kunst über Kunst, indem die Federzeichnungen den Text an dramatischen Stellen interpretieren und mit eigenständiger Ironie verzaubern. In einer schier unendlichen Variation unterzieht Koeppel dabei das Thema Huhn den merkwürdigsten Veränderungen. Das Tier wird bis zur gleichnishaften Menschwerdung gesteigert und übertrieben scheint eine märchenhafte Moral durch das huhnige Wesen, die wir von Wilhelm Busch her kennen. Heute sind wir Huhn, morgen Schwein und übermorgen reißen wir wie ein Wolf. Eine Serie mit zutiefst wahrhaftigen Erkenntnissen. rola

Die Ausstellung ist bis zum 27. Mai, in der Werkbund-Galerie, Goethestr. 13, 1-12, montags bis freitags von 15.30 bis 18.30 Uhr geöffnet.