piwik no script img

Griff in die journalistische Mottenkiste

■ Betr.: "Ohne Rückfahrkarte zum Attentat auf Schäuble", taz vom 7.5.91

betr.: „Ohne Rückfahrkarte zum Attentat auf Schäuble“ von Erwin Single, taz vom 7.5.91

Sowohl die Überschrift als auch der unzeitgemäße Satz „an den Rollstuhl gefesselt“ erinnern mich doch sehr an den 'Bild‘-Stil. Daß sich die taz noch dieses Satzes bedient, wirkt auf mich schon recht befremdend — vermittelt er doch geradezu, wie schlimm eine solche Situation für Betroffene sein muß.

Doch dies zu vermitteln, sollte nicht die journalistische Aufgabe sein — schon gar nicht die der taz —, sondern das Gegenteil: Daß eben die Notwendigkeit, einen Rollstuhl zu benutzen, nicht bedeuten muß, daß der- oder diejenige in der Mobilität total eingeschränkt ist. Wäre es nicht besser, statt dessen von RollstuhlbenutzerInnen zu sprechen? Schließt doch eine solche Formulierung alle Möglichkeiten ein, die es geben kann, um einen Rollstuhl zu benutzen. Letztlich muß es doch darum gehen, daß mit dem Begriff Rollstuhl keine Schreckensvisionen entstehen, sondern daß ein Rollstuhl das ist, was er im Grunde genommen ist: ein Hilfsmittel.

[...] War es Unbedachtsamkeit, die Erwin Single in die journalistische Mottenkiste greifen ließ? Doch da dieser Griff bei einigen taz-RedakteurInnen schon des öfteren geschah, muß ich mich als Betroffener allmählich fragen, was damit bezweckt werden soll. Werner Müller, München

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen