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INTERVIEWGraue Panther: Nein zur Pflegeversicherung

■ Lisette Milde, 2.Vorsitzende, hält Vorschläge zur gesetzlichen Pflegeversicherung für „Schritt in die falsche Richtung“

taz: Frau Milde, Bundesarbeitsminister Blüm und die SPD wollen das sogenannte „Pflegerisiko“ von Alten und Schwerkranken über eine gesetzliche Pflichtversicherung absichern, in die — analog zur Krankenversicherung — Arbeitgeber und Arbeitnehmer monatliche Beiträge einzahlen sollen. Können sich die Grauen Panther mit diesem Modell anfreunden?

Milde:Nein, absolut nicht. Der Knackpunkt bei den Modellen ist, daß eine solche Versicherung immer über Beitragsleistungen von den im Erwerbsleben Stehenden finanziert wird und zwar immer von denen, die wenig verdienen. Die Hochverdiener sollen ja nicht in die Zwangsversicherung einbezogen werden. Wenn aber eine Solidargemeinschaft davon lebt, daß sich Niedrig- und Hocheinkommen ergänzen, dann muß man auch die Gutverdienenden in diese Versicherungsleistung einbeziehen.

Aber was wäre die Alternative?

Wir sind nach wie vor für ein Leistungsgesetz, wie wir es zusammen mit den Grünen dem Deutschen Bundestag auch längst vorgelegt haben. Danach müssen aus dem Steuerhaushalt Gelder für Pflegeleistungen bereitgestellt werden. Jeder pflegebedürftige Mensch sollte — gestaffelt nach dem Schweregrad seiner Behinderung — unabhängig von seinem Einkommen einen bestimmten Betrag vom Gesetzgeber bekommen, um die Dienstleistungen zu zahlen, die er braucht. Wir haben in unserem Gesetzentwurf dazu einen Höchstbetrag von 1.500 Mark im Monat für den Schwerstpflegefall eingesetzt. Ein solches Konzept wäre durchaus machbar. Es fehlt nur der politische Wille dafür.

Auch ein solches Leistungsgesetz müßte finanziert werden, wie soll denn das passieren?

Wir wissen, daß der sogenannte Pflegenotstand ein gemachter, ein willkürlicher Notstand ist. Das hat überhaupt nichts mit Geld zu tun, sondern damit, daß das Alter überhaupt nicht geachtet wird. Auch die Schwerstpflegefälle, um die es in der Diskussion vorrangig geht, werden gemacht. Zum Beispiel dadurch, daß die sogenannte Pflegesatzkommission, die den Personalschlüssel in den Heimen festlegt, diesen Schlüssel an den ständig bettlägerigen Menschen bemißt. Die Folge ist, daß in den Heimen in der Regel nicht rehabilitiert wird. Man verfährt nur noch nach dem Prinzip „Satt, sauber trocken“. Und weil im Vorfeld nichts passiert, steigt eben die Zahl der Pflegebedürftigen.

Pflegeversicherung also ein Schritt in die falsche Richtung?

Ich denke ja. Wenn überhaupt eine gesetzliche Pflegeversicherung analog zur Krankenversicherung, dann müßte gewährleistet sein, daß der Mensch die Wahl hat, was mit seinem Geld geschieht. Und wir wissen gerade aus der gesetzlichen Krankenversicherung, daß die Patienten nicht mehr die Wahl haben, wie sie behandelt werden wollen. Das bestimmen alle anderen, nur nicht wir.

Entscheidend wäre, daß es auch andere Lebensmodelle gibt, um die Vereinsamung vieler älterer Leute, die zu psychischen Gesundheitsstörunen führt, aufzuheben.

Einige Alte und Pflegebedürftige können und wollen das vielleicht auch nicht und brauchen jetzt ganz konkret eine Pflege.

Die jetzt Alten werden doch von keiner Versicherung mehr übernommen werden, für die gibt es dann die diskriminierenden Übergangsregelungen. Profitieren würden von einer solchen Pflegeversicherung ohnehin nur die „jungen Alten“. Aber wenn man denen heute eine Chance einräumen würde, ihr Leben anders zu ordnen, dann könnten wir auch die Horrorvision von der nicht finanzierbaren Pflege umgehen.

Wenn Sie im Bundestag säßen, würden Sie Ihren Finger für eine gesetzliche Pflegeversicherung heben?

Nein, ganz klar nein. Interview: Vera Gaserow

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