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DERVIDEO-TIP  ■  ERINNERUNGEN: DIE SCHLACHT
UMS TUNTENHAUS

Etwas arrogant waren die Bewohner des Tuntenhauses schon immer. »Von der deutschen Presse als europaweit einmaliges linksradikales Schwulenprojekt beinahe ignoriert, von der internationalen Presse allzeit belagert«: So beschrieben sie ihre einstige Besetzeridylle in der Mainzer Straße in einer Dokumentation. Zu den damaligen Belagerern gehörte auch der britische Fernsehsender Channel Four, der einen Film über den Alltag im »House of (Leatherpunk-) Queens« drehte. Das Ergebnis, »The Battle of Tuntenhaus«, wird heute abend im Café Rosa des HdjT gezeigt.

»In vielen Jahren sind wir alternde Homosexuelle«, phantasiert Tuntenhaus- Bewohner Peter im Film, »wir haben Anzüge an, duften nach Lavendel, das Haus hat Portier und Sauna, wir zahlen 'ne ganze Menge Miete, aber wir können es uns leisten«. Doch nicht einmal im Ansatz wurde Peters Utopie Realität. Die Herren Politiker, die schon jetzt Portier und Sauna besitzen, ließen die besetzten Häuser der Mainzer Straße rechtzeitig räumen. Das Ende im Haus zeigt Channel Four mit experimentellen Aufnahmen, verschwommenen Einstellungen und sprunghaften, unerwarteten Schnitten. Die Bilder der dreitägigen Straßenschlacht wirken dagegen in schwarz-weiß.

Doch auch die Farbszenen zuvor sind liebevolle Schwarz-Weiß-Malerei. Das Team von Channel Four portraitiert die vier Prototypen des schwulen Berliner Hausbesetzers: den argumentierenden Intellektuellen, den ledernen Westmacker, die wirkliche Tunte und den schüchternen Ossi. Sie plaudern Platitüden aus ihrem Besetzeralltag, von der »Fascho-Abwehr« bis zum »Bullen-Terror« und dürfen sogar das hinlänglich bekannte autonome Filmverbot bei Demonstrationen erklären. Der Film zeigt die gemeinsamen Mittagessen und Plena am großen Tisch ebenso wie die grandiose Feier zum 41.Jahrestag der DDR in der Hausbar »Forelle blau«. Da sagt selbst Charlotte von Mahlsdorf, DDR-Transe Nummer 1, sie würde auch »sehr gerne« in einem Tuntenhaus leben. Da kommen den ZuschauerInnen die Tränen, als am Ende des Films ein Polizist gerade jenes Hütchen scherzend aufsetzt, das eine Tunte in einer Einstellung vor der Räumung noch selbstverständlich trug.

Auf Trauer muß man sich heute abend im HdjT aber generell einstellen. Dem alternativen Kulturzentrum naht nun ebenfalls das endgültige Aus, wenn auch auf eine sanftere Tour. Auch das lesbisch-schwule Café Rosa gibt es heute abend zum vorletzten Mal. Janina Schreiber, die als Organisatorin Homo-Positionen immer wieder aus links-alternativer Sicht hinterfragen ließ, wird — wie ihre verbliebenen MitarbeiterInnen — zum 1.Juni aus der Warteschleife entlassen — und das HdjT dann vorläufig dicht gemacht. Damit ist mehr zu beklagen als der bloße Verlust homosexueller Veranstaltungen: Die Abwicklung des HdjT ist — ebenso wie die Räumung der Mainzer Straße — die Kampfansage des Senats an eine unbequeme Gegenkultur. Doch vielleicht ergibt sich ja im Anschluß an den Tuntenhaus-Film mal eine Große Koalition von unten. Micha Schulze

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