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Werderland: Wiesen oder Wohnen

■ Anwohner gegen Satellitenstadt in Gramke-West / 1.600 Wohnungen geplant

Ablehnung schlug Umweltsenatorin Eva-Maria Lemke-Schulte bei einer EinwohnerInnenversammlung in Bremen-Nord entgegen. Rund 200 BewohnerInnen der Ortsteile Grambke und Lesum waren in der vergangenen Woche ins Schulzentrum Alvin-Lonke- Straße gekommen, um mit Behördenvertretern den geplanten Bau einer neuen Satellitenstadt auf der grünen Wiese zwischen Klöckner und Grambke zu diskutieren.

Hintergrund: Der Senat hat vorrechnen lassen, daß in Bremen bis zum Ende des Jahrzehnts rund 16.000 Wohnungen fehlten. Deshalb wünscht sich die Landesregierung gleich vier neue Ortsteile, in denen insgesamt 5.500 bis 6.000 neue Wohnungen gebaut werden sollen: in Borgfeld- West, an der Franz-Schütte-Allee, in der Osterholzer Feldmark und in Grambke-West. Das liegt mitten im Werderland. Auf rund 100 Hektar sollen dort 1.400 bis 1.800 „Wohneinheiten“ für etwa 3.000 Menschen entstehen — in unmittelbarer Nachbarschaft eines 180 Hektar großen neuen Gewerbegebietes und der Klöckner- Hütte.

Lemke-Schulte versuchte denn auch auf der EinwohnerInnenversammlung etwas Luft aus der Aufregung zu lassen: Die Planung befinde sich erst im Erörterungsstadium. Ihr zur Seite steht Sunke Herlyn, zuständig für ökologische Stadtentwicklung, Flächennutzungspläne und Raumordnung. „Wir schließen planerisch nur ein Loch zwischen Grambke und Klöckner,“ sagte er. Außerdem umfasse Grambke- West nur ein Zehntel des Werderlandes und die PlanerInnen müßten strenge Landschaftsschutzauflagen beachten. Und: „Es gibt genug Ausgleichsflächen.“

Trotzdem lehnen betroffene NachbarInnen und UmweltschützerInnen das Vorhaben vehement ab. Ihre Argumente: Wenn dort gebaut werde, gehe der Rest des Werderlandes kaputt. Auf das dortige Naturschutzgebiet bespielsweise werde ein „unheimlicher Druck“ ausgeübt, zumal die BewohnerInnen bei ungünstig stehendem Wind heute schon mit Klöckners Lärm zu kämpfen haben. Und nach Auskunft von BUND-Mitarbeiter Martin Rohde gebe es „im zentralen Bereich des Werderlandes Vogel- Brutflächen von nationaler Bedeutung“.

Arndt Frommann von der Bürgerinitiative „Rettet das Werderland“ erhebt weitere Einwände: „Die augenblickliche Wohnungsbedarf kann nicht mit solch einer Großbauplanung befriedigt werden.“ Er wendet sich damit gleichzeitig gegen den Vorwurf, die BaugegnerInnen seien mit den Wohnungssuchenden unsolidarisch. Frommann bekommt auch Schützenhilfe von Peter Ullrich, wissenschaftlichem Mitarbeiter der GRÜNEN-Bürgerschaftsfraktion. „Die Wohnungen sind erst in fünf Jahren fertig. Den Leuten ist damit überhaupt nicht geholfen“, wettert er, „und die aktuellen Bebauungspläne weisen fast nur Einfamilienhäuser aus.“ Dem grünen Naturkenner geht es jedoch nicht allein um die Wohnbebauung im Werderland. Ullrich: „Zusammen mit anderen Großprojekten gehen dort in den nächsten fünf bis zehn Jahren 350 Hektar Natur verloren.“

BUND-Mitarbeiter Rohde stimmt dem zu: „Bremen ist an der Grenze dessen angekommen, was möglich ist. Spätestens in zehn Jahren sind alle Flächen entweder als Naturausgleich oder als Wohn- bzw. Gewerbeflächen fest verplant.“ Die Umweltbehörde will jetzt erstmal die Ergebnisse eines Lärmschutzgutachtens zu „Grambke-West“ abwarten, die Anfang 1992 vorliegen sollen. Danach, so die Versprechungen, werde man eine neue EinwohnerInnenversammlung durchführen. ubu

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