: Groteske Einschätzung-betr.: "Grüne ohne Fundament", taz vom 13.5.91
betr.: „Grüne ohne Fundament“, taz vom 13.5.91
Die Berichterstattung der taz über die Grünen wird leider immer unqualifizierter! Zunächst der unsägliche Klaus Hartung, der sich als publizistisches Schlachtroß der öko-libertären „Rechten“ bei den Grünen versteht. [...] Und nun der mir als Kulturredakteur bekannte Mathias Bröckers, der über das Abschiedstreffen der Jutta-Ditfurth-Gruppe berichtet. Die Grünen hätten nun ihr „Fundament“ verloren, behauptet der ahnungslose Kulturmensch. Bis zu 30 Prozent der Mitglieder, das heißt über 10.000, würden nun die Partei verlassen, haben ihm offenbar die notorisch realitätsblinden Fundis eingeflüstert.
Welch eine groteske Einschätzung! Das Fundament der Grünen besteht nicht aus der kleinen Fundi- Schar um Jutta Ditfurth! Die Basis der Grünen sind ihre (aktiven) Mitglieder, die ihnen nahestehenden sozialen Bewegungen und insbesondere das millionenfache WählerInnenpotential. Diese drei Gruppen halten nichts von sektiererischer Systemoppositionspolitik à la Ditfurth, die mit ihren grobschlächtigen Alternativen („Widerstand oder Anpassung“) jede ernsthafte Diskussion über Strategien zur gesellschaftlichen Veränderung tötet. Ditfurth spielt im Stile der K-Gruppen der siebziger Jahre Revolutionstheater — ohne revolutionäres Subjekt und ohne revolutionäre Situation! Ein kindisches Unternehmen, das scheitern muß.
Insbesondere die WählerInnenbasis der Grünen wünscht sich mit großer Mehrheit — wie alle Untersuchungen zeigen — die Partei als linksalternative Reformpartei, die Koalitionen mit der SPD eingehen soll.
Was ist der politische Standort der Grünen? Die übergroße Mehrheit der grünen WählerInnen steht links von der SPD. Trotzdem sind die Grünen keine klassische Linkspartei. Ihre Aktiven- und WählerInnenbasis besteht vornehmlich aus den abhängig beschäftigten neuen Mittelschichten. Zudem artikulieren die Grünen in neuartigen Politikfeldern wie Ökologie, Feminismus, Minderheitenrechte, demokratische Kultur Probleme die jenseits des klassischen Links- Rechtsschemas liegen. Mit diesen Themen können die Grünen WählerInnen aller Parteien ansprechen.
Nach dem Austritt der kleinen Fundi-Gruppe und der Niederlage der ökolibertären „Rechten“ um Antje Vollmer haben die Grünen die große Chance, ihren politischen Standort als linksökologische Reformpartei zu festigen. Sie sollten diese Chance nutzen und sich darauf konzentrieren, ihre guten Ideen und Konzepte phantasievoll und professionell zu propagieren — in Regierungen und in der Opposition! Helga Martin, Köln
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