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Keine Nische in der Weltpolitik

Kohl versucht in den USA die Unstimmigkeiten im deutsch-amerikanischen Verhältnis zu bereinigen  ■ Aus Washington Rolf Paasch

Kanzler Kohl war mit Außenminister Genscher nach Washington gekommen, um den Amerikaner das merkwürdige Verhalten der Deutschen im Golfkrieg und anderswo zu erläutern. Denn nach der deutschen Vereinigung im Herbst 1989 war das Verhältnis beider Staaten durch eine ganze Reihe von Zerwürfnissen erschüttert worden.

Vor allem das Fehlen deutscher Truppen im Golfkrieg hatte in Washington zu Zweifeln an der Loyalität des sonst treuergebenen Nato- Partners geführt. Die deutsche Rolle bei den bisher erfolglosen Gatt-Verhandlungen über ein internationales Handelsabkommen und die — aus US-Sicht — übertriebene Antiinflationspolitik der Bundesbank hatten auch nicht gerade zur Popularität Bonns beigetragen.

Mit seiner Rede über die „Aufgaben der deutschen Politik in den neunziger Jahren“ bemühte sich Helmut Kohl gestern in Washington, die aufgewühlten transatlantischen Wogen wieder zu glätten. Helmut Kohl versuchte darin eine vorsichtige Gratwanderung zwischen pro-amerikanischer Unterwürfigkeit und neuem deutschen Selbstbewußtsein. Seiner Dankesbekundigung für den Einsatz Amerikas über vier Jahrzehnte, ohne den „Deutschland seine Freiheit nicht wiedererlangt hätte“, folgte gleich die Bitte um mehr private US-Investitionen beim Wiederaufbau der ehemaligen DDR.

Kohls uneingeschränktem Bekenntnis zur Nato als dem „unverzichtbaren Sicherheitsverbund zwischen Europa und Nordamerika“ folgten vorsichtige Ausführungen zu einer rein europäischen Außen- und Sicherheitspolitik. Seiner Beteuerung, daß es „für uns Deutsche keine Nische in der Weltpolitik geben wird“, folgte die Auflistung all der Leistungen, welche die Bundesregierung schon jetzt im Rahmen der internationalen Lastenteilung erbringt.

Nach ihrem Zusammentreffen mit Außenminister Baker und der Audienz des Kanzlers bei Präsident Bush werden Kohl und Genscher am heutigen Dienstag im Kapitol deutsche Eigenwerbung betreiben. Dort hatten verschiedene Kongreßabgeordnete während des Golfkonfliktes besonders harsche Kritik an der Bonner Zögerlichkeit geübt.

Doch selbst ein „erfolgreicher“ Kanzlerbesuch wird nicht darüber hinwegtäuschen können, daß es künftig größere Interessenkonflikte geben wird als zu den brüderlichen Zeiten des kalten Krieges. Denn trotz aller besänftigenden Worte werden die konkreten Meinungsverschiedenheiten über die Kompatibilität von Nato und einer europäischen Verteidigungspolitik, über die Agrarsubventionen im Rahmen der Gatt-Verhandlungen und die internationale Zinspolitik zur Überwindung der US-Rezession bestehen bleiben.

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