: Das Hohelied von der Pressefreiheit?
■ Sachsen-Anhalt: CDU-Entwurf des Pressegesetzes/ Maulkorb für Behörden/ SPD-Rechtsexperte zu Ausschußsitzung nicht zugelassen/ SPD-Pressegesetzentwurf für CDU „verfassungswidrig“/ SPD-Vorlage: Innere Pressefreiheit garantiert
Magdeburg. Ein Landespressegesetz will die CDU/FDP-Regierung in Sachsen-Anhalt verabschiedet wissen, das es in sich hat. Einen SPD-Gegenentwurf stellt die Landesregierung als „unbegründet und verfassungswidrig“ hin. Die SPD- Fraktion ist mehr als verschnupft, denn noch nicht einmal ihr juritischer Berater, Martin Nissen, durfte seine Fachkenntnisse vorbringen. Die CDU protestierte gegen seine Teilnahme an den Ausschußberatungen. Wichtigste Kritik der Opposition am Regierungsentwurf: Die Regierung habe alles weggelassen, was irgendwie nach zu liberaler Auslegung der Pressefreiheit aussehen könnte. Insbesondere die Informationspflicht der Behörden gegenüber der Presse wird in dem Regierungsentwurf enggefaßt. Ohne nähere Begründung kann die Regierung ihren nachgeordneten Behörden jegliche Auskunft gegenüber der Presse „im öffentlichen Interesse“ untersagen.
Mit dem juristischen West-Sachverstand, glauben die Abgeordneten der Regierungskoalition, können sie den Regierungsentwurf relativ unbeschadet durchs Parlament bringen. Als Einpeitscher fungiert dabei Hans-Peter Mahn, ehemaliger niedersächischer Verfassungsschützer und Neu-Magdeburger, der unter dem CDU-Rechtsaußen Wolfgang Braun Staatssekretär im Innenministerium ist. Der ist zwar kein Abgeordneter, fegte aber in der Sitzung des Justizausschusses den SPD-Entwurf für das Pressegesetz mit einem einzigen Wort vom Tisch: „Verfassungswidrig!“
Der Gesetzentwurf der Sozis beinhaltet eine Passage, die auf CDU und FDP wie ein rotes Tuch wirken muß: Der zweite Abschnitt des Entwurfs trägt die Überschrift „Innere Pressefreiheit“ — und räumt RedakteurInnen eine Menge Rechte ein. Da ist von Redaktionsvertretungen die Rede und von Vollversammlungen, denen auch noch eine ganze Menge Mitspracherechte eingeräumt wurde.
Solche Mitspracherechte, zum Beispiel bei der Berufung eines Chefredakteurs oder der Chefredakteurin, werden einem Betriebsrat einer Zeitung bislang mit dem Hinweis auf den Tendenzschutz stets verwehrt. Dieser Tendenzschutz regelt die Rechte des Verlegers, die publizistisch-politische Grundlinie seiner Zeitung zu bestimmen. Diese Regelung wird auch vom SPD-Entwurf nicht in Frage gestellt. Allerdings verhindert dieser Gesetzentwurf, daß die Verleger den Tendenzschutz zur Aushebelung wichtiger Mitbestimmungsrechte der Redakteure benutzen.
Bei Nichteinigung zwischen Redakteursvertretung und Verleger geht die umstrittene Angelegenheit nach dem SPD-Entwurf an einen paritätisch besetzten Ausschuß, der dann innerhalb eines Monats verbindlich entscheiden soll.
Vokabeln, die der CDU/FDP-Regierung in Sachsen-Anhalt wie Hölle, Teufel und Beelzebub gleichzeitig klingen müssen. Es ist kaum zu erwarten, daß überhaupt irgendein Paragraph des SPD-Entwurfs die Hürden der Ausschußberatungen nimmt und bei der zweiten Lesung des Gesetzes im Landtag noch zur Debatte steht.
Die Sozialdemokraten können es sich schon als Erfolg anrechnen, wenn es ihnen gelänge, restriktive Informationspflicht der Behörden im Regierungsentwurf ein bißchen zu erweitern. Allerdings ist aus keinem der SPD-regierten Altbundesländer ein Pressegesetz bekannt, das die innere Pressefreiheit regelt. Eberhard Löblich
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