Prominenz unterstützt Mädchenhaus

Bielefelder CDU-FDP-Stadtrat kippte bereits geplantes Mädchenhaus — Gegenkampagne macht Druck  ■ Von Barbara Küppers

Bielefeld (taz) — „Bausteine für eine Zufluchtstätte“ heißt eine Spendenkampagne, die die Bielefelder Beratungsstelle Mädchenhaus vergangenen Donnerstag gestartet hat, um endlich zu einem Haus zu kommen. Dabei standen die Zeichen für die Einrichtung der ersten Zufluchtsstätte in NRW für sexuell mißbrauchte Mädchen vergangenes Jahr noch günstig. Die Mitarbeiterinnen der Beratungsstelle hatten ein Konzept für ein Mädchenhaus erarbeitet, das in Fachkreisen auf städtischer und Landesebene Anerkennung fand. Es sollte jeweils zwölf Mädchen drei Monate lang einen ersten sicheren Raum bieten. Die nordrhein-westfälische Landesregierung und der Landschaftsverband Westfalen-Lippe sagten Mittel in Höhe von 480.000 Mark zu. Das war Ende 1990. Nun sollte die Stadt den Kauf eines geeigneten Hauses unterstützen und einen Teil der Personalkosten übernehmen. Doch obwohl sämtliche Fraktionen im Stadtrat das Konzept des Mädchenhauses in den höchsten Tönen lobten, beschloß die CDU/FDP-Bürgergemeinschafts- Mehrheit mit ihrer Einstimmenmehrheit, daß Bielefeld für derartige Einrichtungen kein Geld habe.

1,2 Millionen soll nun der Verkauf symbolischer Bausteine einbringen. Mit den Spendengeldern will der Verein ein Haus kaufen und die Einrichtung und den Umbau finanzieren. Die Aktion „Bausteine für eine Zufluchtsstätte“ findet bundesweit und parteiübergreifend Unterstützung: Neben Bielefelder Lokalprominenz, FamilienrichterInnen, KinderärztInnen und dem Polizeipräsidenten unterschrieben auch Hella von Sinnen, Elfriede Jelinek und Marie Luise Marjan. Und — peinlich für die Bielefelder Kommunalpolitiker — die Mädchenhaus- Frauen haben Unterstützung aus höheren Parteikreisen. FDP-Bundesbauministerin Adam-Schwaetzer besuchte die Beratungsstelle, Marianne Paus, Landtagsabgeordnete der CDU, unterschrieb den Spendenaufruf, und Angela Merkel, Frauen- und Jugendministerin (CDU), bat die städtischen Parteikollegen schriftlich, ihre Ablehnung noch einmal zu überdenken. Ilse Ridder-Melchers, Gleichstellungsministerin in NRW, sorgte gar für Schlagzeilen in der Lokalpresse: Sie sprach vom „Versagen der Politik“, kaufte einen Baustein und hofft, daß der Verein „den Erwerb eines Hauses in Bielefeld nicht ausschließlich aus Spendengeldern ermöglichen muß“.

Mädchenhäuser gibt es bisher nur in Hamburg, Berlin und München. Aber auch in Bielefeld ist der Bedarf groß. Bei der hiesigen Beratungsstelle haben sich seit Beginn der Arbeit im Sommer 1988 600 Mädchen gemeldet. Ein Drittel der Ratsuchenden hätte der sexuellen Gewalt nur durch eine sofortige Unterbringung an einem sicheren Ort außerhalb der Familie entkommen können. Nimmt man die Berechnung des Bundeskriminalamtes, nach der jedes vierte Mädchen sexuelle Gewalt erleidet, sind allein in der 300.000 Einwohner zählenden Stadt Bielefeld 6.000 Mädchen betroffen.

Innerhalb der Ratsfraktionen und bei dem Netzwerk Bielefelder Frauenprojekte gegen Gewalt sind jetzt erste Überlegungen zu hören, sich regelmäßig zu treffen und gemeinsam Lobby zu treiben. Der runde Tisch der Frauen könnte einiges bringen: denn die Einstimmenmehrheit im Stadtrat wäre gekippt, wenn die Frauen aller Fraktionen gemeinsam votierten.

Kontakt: Mädchenhaus Bielefeld, Bahnhofstraße 4, 4800 Bielefeld