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Keiner will Matti

■ Der finnische „Überflieger“ Nykänen wollte für den Deutschen Skiverband springen, durfte aber nicht landen

Berlin (dpa/taz) — Der erfolgreichste Skispringer der Welt findet niemanden, für den er die Schanzen dieser Welt erobern darf. Matti Nykänen, gleichsam genialer Skispringer und Raufbold, wurde vor Beginn des olympischen Winters 1991/92 vom finnischen Skiverband gefeuert, weil die Funktionäre seiner Rauf- und Saufeskapaden überdrüssig waren. Der Ansteckungsgefahr auf die übrigen finnischen Weitenjäger um Weltmeister Nikkola vorbeugend, hatte man den Unhold flugs aus dem Nationalteam verbannt. Nykänen hatte zwar für sein skandinavisches Heimatland so manchen wertvollen Sieg ersprungen und erflogen, aber genauso oft berichteten die Schlagzeilen der Weltpresse von seinen gescheiterten Ehen, fehlender Trinkfestigkeit an diversen Bars oder der Schlagfreude des Schmächtlings.

Nun bot der vierfache Olympiasieger von 1984 und 88, der außerdem 1982 Weltmeister und 1985 Skiflug-Champion war, dem Deutschen Skiverband (DSV) seine Flug- und Landekünste an. „Ein solcher Wechsel ist jedoch für uns kein Thema“, wehrt DSV-Sportdirektor Helmut Weinbuch ab, „Nykänen hat keinen deutschen Paß und dürfte für uns weder bei Olympischen Spielen noch bei Weltmeisterschaften starten, weil ein Athlet nur für ein Land starten darf.“

Weinbuchs Haltung ist verständlich. Der DSV will sich wegen Nykänen keine Probleme mit den finnischen Sportfreunden einhandeln. „Außerdem befürchte ich nur weitere Unruhe in unserem Springerteam um die beiden Stars Jens Weißflog aus Oberwiesenthal und Dieter Thoma aus Hinterzarten“, mutmaßte Bundestrainer Rudi Tusch.

Dabei war der geläuterte Matti doch voller Traingsfleiß und innerer Disziplin bereits in Berchtesgaden gelandet und im deutschen Olympiastützpunkt aufgetaucht. Er trainiert eine Woche lang auf eigene Kosten im Springer-Leistungszentrum Kälbersteinschanze. Der Finne wird von seinem privaten Trainer begleitet und muß eine Mattenschanzen-Gebühr zahlen.

Das Springer-Phänomen mit dem sagenhaften Fluggefühl flog bereits 1986 unmittelbar vor der deutsch- österreichischen Springertournee aus dem finnischen Verband. Damals bereitete er sich privat auf die Landesmeisterschaften vor, wurde Vierter und als Ersatzmann zu den Weltmeisterschaften nach Oberstdorf mitgenommen. Dort versöhnte er schließlich mit einer Silbermedaille seine schärfsten Kritiker.

Ob sein erneutes Individualtraining ihn allerdings auch zu neuen Weitenflügen anstiften wird, bleibt fraglich. Zumal Nykänen auch schon im letzten Winter bei den Höhepunkten der vorolympischen Saison eine hinterherspringende Rolle spielte. Bleibt die Frage, ob sich nicht doch noch ein Land die Medaillenchancen Nykänens sichern will. Ansonsten bleiben seine Bemühungen eh nur Schnee von gestern. Armer Matti!

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