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Weder empört noch erschüttert: Nur überrascht

■ PDS läßt das Stasi-Bekenntnis ihres Parteichefs Adolphi ziemlich kalt/ Offenbarung käme ein wenig spät, hieß es lediglich

Berlin. Sie war weder empört noch erschüttert. Marion Seelig reagierte nur »überrascht«, als sie in einer internen Diskussion am Montag abend das Eingeständnis ihres Fraktionskollegen und Berliner PDS-Vorsitzenden Wolfram Adolphi hörte, daß er 14 Jahre lang für die Stasi Berichte geschrieben habe. Nur einen »Fehler« habe Adolphi begangen, meint Seelig: Das Bekenntnis, für 200 Mark im Monat politische Lageberichte an die Staatssicherheit geliefert zu haben, komme erst »sehr spät«.

Von Seelig hätte man eigentlich mehr Kritik erwarten können. Immerhin stammt die Abgeordnete als Mitglied der Vereinigten Linken aus der DDR-Opposition, war kein Mitglied der SED. Hinzu kommt: Die PDS-Parlamentarier hätten durchaus das Recht, über Adolphi empört zu sein. Wochenlang hatte der Parteichef auch gegenüber Fraktionskollegen nur ausweichend auf Fragen nach seiner Vergangenheit reagiert, gegenüber der taz hatte er eine Stasi-Mitarbeit noch vor einer Woche rundweg abgestritten.

Nach wie vor pflegt die PDS ihre Sonderrolle. Keiner in der Fraktion der SED-Erben fordert Adolphi auf, Konsequenzen zu ziehen, die Fraktionsvorsitzende Gesine Lötzsch wandte sich gestern öffentlich gegen »Pauschalurteile«. Daß das auch zu Problemen führen kann, ist manchen alten SED-Mitgliedern in der PDS gar nicht bewußt.

Realistischer ist Harald Wolf, der von der AL zur PDS-Fraktion gewechselt ist. »Natürlich« sei die Stasi-Vergangenheit des Parteichefs eine »Belastung« für die Partei, räumt Wolf ein. Aber auch er plädiert dafür, diese Belastung »auszuhalten« und nicht der »vermeintlichen oder wirklichen Stimmung« nachzugeben.

Wolf sieht es bereits als Erfolg der von ihm und Seelig in der Fraktion angezettelten Diskussionen an, daß Adolphi sich überhaupt offenbart hat. Bei vielen Fraktionsmitgliedern mit DDR-Karriere habe es anfangs überhaupt »kein Unrechtsbewußtsein« gegeben, erinnert sich Seelig.

Adolphi bestätigt das selbst. Ein »aus den Erfahrungen meiner Kindheit und Jugend geprägtes engagiertes Ja zur DDR« habe ihn stets geleitet. Die, die seine Wendung zu Gorbatschows Reformkurs »befördert« hätten, seien selbst Mitarbeiter der Stasi-Hauptverwaltung Aufklärung gewesen.

Seelig und Wolf werfen ein beachtenswertes Argument auf. Verenge man die DDR-Vergangenheitsbewältigung auf die Mitarbeit bei der Stasi, sagen sie, dann verliere man diejenigen aus dem Blick, die in anderer Funktion Schuld auf sich geladen hätten. Freilich müßte man dann auch von einigen PDS-Abgeordneten verlangen, ihre Rolle intensiver zu hinterfragen. Der heutige PDS- Abgeordnete Horst Kellner etwa war jahrzehntelang als Rechtsprofessor an der Humboldt-Universität ein treuer Verteidiger des SED-Regimes. Heute noch erinnern sich ehemalige Studenten mit Grausen an seine kommunistischen Kraftsprüche.

Es ist nicht nur das SED-Erbe, das der PDS die Vergangenheitsbewältigung erschwert, sondern auch ihre knappe Personaldecke. Sie ist zwar immer noch die mitgliederstärkste Partei der Stadt, an zugkräftigen Persönlichkeiten herrscht jedoch großer Mangel. »So massenhaft« habe man begeisterungsfähige Leute »nicht zur Verfügung«, argumentiert Horst Kellner ganz offen. Man könne allein deshalb nicht von allen Stasi-Leuten den Rücktritt verlangen: »Wo wäre ein Anfang, wo ein Ende?« hmt

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