PRESS-SCHLAG
: Lagerkoller in Österreich

■ Die Färöer-Inseln verloren überraschend ihr Europameisterschaftsspiel in Salzburg mit 0:3

Die Deutschen akzeptierten ihre Niederlagen nie.“

Walter Jens

„Österreich mußte seine Niederlagen akzeptieren, denn ohne sie würde es nicht existieren.“

Armin Thurnher, Journalist

Dieser Mann ist eine süße Provokation. Er ist pummlig im orangenen Trikot, bewegt sich ziehmlich unorthodox, trägt ein weißes Zipfelmützchen. Selbiges trägt er — so erzählt er selbst die Legende — schon seit seinem 14. Lebensjahr.

„Der Doktor hat mir nach einem Sturz eigentlich zu einem Helm geraten, aber den konnte ich bei meinem Hobby natürlich nicht tragen.“ Ein Mützchen aber schon, denn Jens Martin Knudsen ist Fußballtorwart beim noch unbekannten Verein NSI Runavik und bei der Nationalmannschaft der Färöer-Inseln. Durch sie wurde er berühmt.

Dieser Mann ist Symbol für eine der größten Niederlagen der österreichischen Nation, denn mit zehn weiteren seiner dann noch 46.950 zählenden Landsleute blamierte er im schwedischen Landskrona im Hinspiel der EM-Qualifikation das selbstgefällig auftretende Team aus der Alpenrepublik mit einem 1:0-Sieg. Für Jens Knudsen, der ansonsten frische Fische auf seinem LKW über die Insel kutschiert, brachte dieses Ergebnis immerhin zwei Werberverträge und seiner Elf ein von einer Mineralölfirma finanziertes Trainingslager — ausgerechnet in Österreich.

Niederlage oder Katastrophe umschreiben die Österreicher seit jenem Spiel mit Begriffen wie „Landskrona, Färöer, Zipfelmütze.“ Denn sie haben dieses Ergebnis nicht akzeptiert. Zwar träumen sie ständig von der Vergangenheit, möchten aber allzu drastische Ereignisse gerne ins Positive verwandeln. So versuchten sich die Austro-Kicker in Salzburg vehement in Vergangenheitsbewältigung. Sie gewannen 3:0 und bejubelten ihren ersten Sieg in der EM- Qualifikation. Kaum zu glauben, wie energisch die Fußball-Zwerge von der Insel bekämpft wurden, sogar hinter dem Rücken des Schiedsrichters mittels des Ellenbogens. Die Färöer, die sich wegen des Hinspielsieges sichtbar überschätzten, hatten dem ungestümen Ansturm der Österreicher eigentlich nur ihre torhütende Zipfelmütze entgegenzusetzen.

Trainer Pall Gudlaugsson meinte dann auch: „Wir hatten keine Chance.“ Das stimmte den Mann aus Island natürlich traurig. Und die Gründe dafür zu benennen, fiel ihm schwer: „Ich sehe nicht, wo wir Fehler gemacht haben.“

Der wichtigste Fehler könnte das 14tägige Trainingslager gewesen sein, das die Spieler, die sonst alle einem Beruf nachgehen und nach Feierabend trainieren, nicht verkraftet haben. „Zum Schluß hatten wir einen richtigen Lagerkoller“, bestätigt der Trainer der Färöer, „aber der Rummel um uns wurde zu groß.“

Die Exoten wurden bestaunt, befragt, belächelt. Sehen so Wikinger aus, dachten sich die Österreicher. Vor allem Torhüter Knudsen wurde für interessant befunden: Sein Gesicht ist ein wenig eckig, die Lippen weich und rund — und dann eben diese Zipfelmütze. Glück hatte er, daß er anschließend heil in seine Kabine kam.

Was nun, Österreich? Zunächst das Überraschende: die 15.000 Zuschauer in Salzburg kamen keineswegs, um ihre Mannschaft verlieren zu sehen, sie feuerten sie 85 Minuten lang an. Dann geschah das Entsetzliche. Trainer Alfred Riedl wechselte den Torhüter aus, was er später so begründete: „Ich will, daß meine Torhüter Freunde sind.“

Die Zuschauer allerdings verloren alle Freundlichkeit, fingen urplötzlich an zu pfeifen und schrien vor Wut. Ein weiteres Tor war den Zuschauern durchaus wichtiger als die Freundschaft der Torhüter. Somit war das 3:0 auch die Niederlage des ungeliebten Trainers. Der 36jährige wird bald gehen müssen. Sein Vorgänger Hickersberger mußte übrigens nach der Niederlage gegen die Färöer-Inseln seinen Arbeitsplatz wechseln.

Die unterlegenen Spieler nahmen das 0:3 allerdings nicht weiter tragisch. „Es war doch ein schönes Erlebnis, vor so vielen Zuschauern zu spielen“, meinte Zipfelmützen- Knud. „Jetzt, wo wir ja auch zu Hause ein Stadion haben, hoffen wir in den drei Heimspielen noch auf ein oder zwei Punkte. Das ist doch was, oder?“

Übrigens hat der 1979 gegründete Fußballverband der Färöer auch eine Frauenmannschaft, die bisher zweimal gegen Island spielte (0:5 und 0:6). Da im Sommer in Dänemark die Frauen-Europameisterschaft stattfindet, könnte das Färöer schon bald mit einer neuen Mannschaft überraschen. Denn die Insel verspürt seit dem Landskrona-Sieg deutlich mehr Selbstbewußtsein. In Wien gibt es seit einer Woche ein eigenes Fremdenverkehrsamt der Insel-Gruppe. Falk Madeja