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Mengistu floh nicht — er wurde ausgetrickst

Addis Abeba (afp) — Angesichts des Vormarsches der Rebellenverbände haben die äthiopischen Regierungstruppen am Freitag den Rückzug in die Hauptstadt angetreten. Die Rebellen erreichten Genet etwa dreißig Kilometer westlich von Addis Abeba, gleichzeitig sollen weitere Einheiten vom Nordosten und Südwesten auf die Stadt marschieren.

In den vergangenen beiden Tagen strömten nach Angaben eines westlichen Diplomaten Tausende von Regierungssoldaten in die Hauptstadt. Unter den Truppen, die sich offenbar nach Niederlagen in Gefechten mit Rebelleneinheiten zurückgezogen hatten, befänden sich viele Verwundete, die in Militärlager gebracht worden seien, hieß es weiter. Die Schulen, Geschäfte und Restaurants der Hauptstadt seien nach wie vor geöffnet. „In zwei Tagen könnten die Rebellen hier sein“, sagte der Diplomat. Das Waffenstillstandsangebot von Interimspräsident Tesfaye Gebre Kidan schlugen die Rebellen nach wie vor aus. Die Rebellen sollen den USA zugesagt haben, nicht in Addis Abeba einzumarschieren.

Nach Darstellung der Rebellenbewegung „Revolutionäre Demokratische Volksfront Äthiopiens“ (EPRDF) hingegen gibt es „keine Zusicherung“ dieser Art. Am Montag sollen auf Anregung der USA Friedensverhandlungen in London beginnen. Daran sollen neben der stärksten Rebellenbewegung EPRDF auch die „Eritreische Volksbefreiungsfront“ (EPLF) und die kleinere Bewegung der „Oromo Befreiungsfront“ beteiligt werden.

Unterdessen berichteten Diplomaten, Mengistu sei nicht geflohen, sondern mit einem Trick nach Kenia gelockt worden. Er habe erst bei der Landung in Nairobi am Dienstag erfahren, daß er nicht mehr Präsident seines Landes sei, berichteten mehrere Diplomaten am Donnerstag in Nairobi. Auf Druck der USA und Israels hätten der jetzige Interimspräsident Tesfaye Gebre Kidan, Ministerpräsident Tesfaye Dinka und wahrscheinlich auch Innenminister Tesfaye Wolde dem Präsidenten vorgegaukelt, er werde in Nairobi zu einem Geheimtreffen mit der Opposition erwartet.

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