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Ein Platz für wilde Pinguine

Mit 4:2 Siegen gegen die Minnesota North Stars holten sich die Pittsburgh Penguins den Stanley Cup der nordamerikanischen Eishockeyliga NHL/ Spiel 6 endete 8:0 für die Pinguine  ■ Von Matti Lieske

Berlin (taz) — Während eines Großteils der regulären Saison konnten sich die Minnesota North Stars kaum daheim blicken lassen. Als eine Art Hertha BSC des Eises gaben sie die Deppen der NHL ab, kassierten eine Niederlage nach der anderen, und nur wenige Fans mochten sich im eigentlich eishockeyverrückten Bloomington die Tortur der Heimspiele ihres traurigen Teams zumuten. Eine Steigerung gegen Ende der Serie ließ die North Stars jedoch mit der fünftschlechtesten Bilanz aller 21 Teams gerade noch in die Play-offs rutschen. Und plötzlich geschah ein Wunder.

Die Punktelieferanten aus Minnesota spielten auf einmal, als hätte ihnen eine gute Eisfee die Schläger verhext. Nacheinander warfen sie die punktbesten Teams ihrer Norris-Division, die Chicago Black Hawks und die St. Louis Blues, aus dem Rennen, und im Finale der Campbell Conference waren dann auch die Cupverteidiger Edmonton Oilers chancenlos. Im fünften Spiel besiegelte ein Tor von Bobby Smith zum 3:2 das Schicksal der Oilers. Es war eines von fünf spielentscheidenden Play-off-Toren, die der von den Montreal Canadiens gekommene Smith erzielte. Damit stellte er den alten Rekord von Kurri und Bossy ein und sorgte dafür, daß die North Stars plötzlich die Chance hatten, als erste Mannschaft mit einer negativen Bilanz aus der Normalrunde den Stanley Cup zu gewinnen.

Ebenso turbulent war es in der Wales Conference zugegangen. Weder Vorjahresfinalist Boston noch die Montreal Canadiens, sondern die mit einer schlechteren Vorrundenbilanz behafteten Pittsburgh Penguins setzten sich durch. Dabei hatte die Saison für die Pinguine, die die Play- offs in den letzten acht Jahren siebenmal verpaßt hatten, schlecht begonnen. Ihr Superstar Mario Lemieux war lange wegen einer Rückenverletzung ausgefallen, und erst als er wieder mitschliddern konnte und in einem späten Transfer Ulf Samuelsson und Ron Francis von den Hartford Whalers geholt wurden, ging es aufwärts. Im Play-off mußten die New Jersey Devils und die Washington Capitals dran glauben, dann konnten die Penguins im Endspiel der Wales Conference sogar einen 0:2-Rückstand gegen die Boston Bruins wettmachen und die Serie noch mit 4:2 für sich entscheiden. Dem ersten Stanley-Cup-Finale seit zehn Jahren, an dem keine kanadische Mannschaft beteiligt war, stand nichts mehr im Wege.

Zu Anfang konnten die Minnesota North Stars gut mithalten, was auch daran lag, daß die Nachrichten aus dem Lager der Penguins eher einem Drehbuch für die Schwarzwaldklinik glichen. Der dynamische Paul Coffey — wegen seiner Schwächen in der Defensive oft kritisiert, aber gemeinsam mit Bostons Ray Bourque unbestritten bester Offensiv- Verteidiger der NHL und besonders im Powerplay unverzichtbar, hatte sich die Kinnlade gebrochen, und Mario Lemieux wurde wieder von seinem Rücken im Stich gelassen. Als er sich vor dem dritten Spiel die Schlittschuhe zubinden wollte, bekam er einen Krampf und konnte nicht spielen. Die North Stars gewannen 3:1 und gingen insgesamt mit 2:1 in Führung.

Die Wende kam beim nächsten Match in Bloomington. Aus den Lautsprechern dröhnte Brown Sugar von den Rolling Stones, „Im Dschungel ist kein Platz für Pinguine“, drohte ein Transparent, „Setzt die Pinguine auf die Liste der gefährdeten Tierarten“, forderte ein anderes. Ein Fall für Greenpeace? Mitnichten. Die Penguins ließen sich vom Siegestaumel in Minnesota nicht beirren, legten einen rasanten Blitzstart hin und führten nach dem ersten Drittel mit 3:0. Die North Stars, längst wieder Lieblinge ihrer Mitbürger und frenetisch angefeuert, kämpften jedoch, und fünf Minuten vor Schluß stand es nur noch 5:4 für Pittsburgh. In dieser Situation bekam Coffey, ebenso wie Lemieux wieder dabei, eine Fünfminutenstrafe wegen eines Stockschlags mit Verletzungsfolge: die große Chance für Minnesota.

Doch nun kam das zum Tragen, was neben der Brillanz des Mario Lemieux schließlich den Stanley Cup 1991 entscheiden sollte: das glänzende Unterzahlspiel der Pittsburgh Penguins. Vier Minuten lang kamen die North Stars kaum ins gegnerische Drittel, dann gingen ihnen die Nerven durch. Auch sie kassierten eine Zweiminutenstrafe, nahmen den Torwart zugunsten eines sechsten Feldspielers heraus und fingen sich prompt das 4:6 ein.

Im fünften Spiel in Pittsburgh legten die Einheimischen erneut einen Blitzstart hin, führten rasch 4:0, aber wieder ließen sie den Kontrahenten noch einmal auf 4:3 herankommen. Ironischerweise war es gerade das sonst so effektvolle Powerplay der North Stars — gerade hatten sie einen neuen NHL-Rekord an Überzahltoren aufgestellt — das immer mehr zum Bumerang wurde. Kurz vor Schluß schloß Lemieux, vom Publikum euphorisch als „L'Empereur du Glace“ gefeiert, einen Unterzahlkonter elegant mit dem 5:3 ab.

Die sechste Partie fand wieder in Bloomington statt, doch der Heimvorteil spielte keine Rolle mehr. Wiederum ein Unterzahltreffer von Lemieux, sein 16. Play-off-Tor, zum 2:0 brach endgültig den Widerstand der Sterne des Nordens. Am Schluß waren sie doch wieder die Deppen und wurden mit 0:8 deklassiert. Die Nummer 66 aber, Mario Lemieux, mit 44 Punkten zweitbester Play-off-Skorer aller Zeiten hinter Wayne Gretzky, konnte endlich auch in Sachen Stanley Cup in die Kufenspur der großen Nummer 99 aus Los Angeles treten.

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